Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmittelbare Benachteiligung bei einer Bewerbung durch Aufforderung zur Angabe der Konfession. Widerlegung der Benachteiligungsvermutung nach § 22 AGG. Kein Rechtsmissbrauch bei Besetzung einer Sekretariatsstelle in der Evangelischen Kirche. Entschädigungsanspruch wegen Indizwirkung des § 22 AGG
Leitsatz (amtlich)
1. Fordert ein Arbeitgeber dazu auf, Bewerbungsunterlagen "unter Angabe der Konfession" einzureichen und setzt im Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle "eine positive Identifikation mit den Zielen und Aufgabe der evangelischen Landeskirche in Baden" voraus, so begründet dies die Vermutung, dass der/die erfolglose und konfessionslose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes i.S.v. § 1 AGG unmittelbar benachteiligt wurde, §§ 22, 11, 7 Abs. 1 AGG.
2. Ob eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Konfessionszugehörigkeit des Bewerbenden um eine Sekretariatsstelle im Büro der Leitenden Oberkirchenrätin zur Evangelischen Kirche nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG gerechtfertigt ist, konnte im zu entscheidenden Fall offen bleiben, weil die Beklagte selbst davon Abstand genommen hat, eine bestimmte oder irgendeine Religionszugehörigkeit als wesentliche berufliche Voraussetzung zu definieren.
3. Es erscheint zweifelhaft, ob die Vermutung nach § 22 AGG dadurch widerlegt werden kann, dass ein Bewerber eingestellt wird, der der eigentlich ausgeschlossenen Gruppe angehört. Diese Frage bedurfte in dem zur Entscheidung stehenden Fall keiner Beantwortung.
4. Zum Einwand des Rechtsmissbrauchs (Bewerbung mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen) - vorliegend verneint.
Normenkette
AGG §§ 22, 11, 7 Abs. 1, §§ 1, 3, 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2, 4; ZPO § 97 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 287 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2020 - 1 Ca 171/19 - werden zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 7/10 und die Klägerin hat sie zu 3/10 zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach Grund und Höhe im Streit.
Die beklagte Landeskirche schrieb unter dem 13. Januar 2019 auf ihrer Homepage und in einer Tageszeitung für den evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe eine Sekretariatsstelle im Büro der geschäftsleitenden Oberkirchenrätin in Vollzeit mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a TVöD-Bund (je nach Berufserfahrung zwischen EUR 3.081,00 und EUR 3.750,00 brutto monatlich) aus. Der Oberkirchenrat ist die oberste Dienstbehörde der Beklagten mit acht Fachreferaten und ca. 450 Arbeitskräften. Die Geschäftsleitung ist die oberste Dienstvorgesetzte und für die Organisation der Geschäftsabläufe zuständig. In der Stellenausschreibung hieß es im Übrigen (Bl. 9 der Akte des ArbG):
Schwerpunkte der Tätigkeit:
- Erledigung der anfallenden Assistenz- und Sekretariatsaufgaben;
- Organisation und Vor- und Nachbereitung von Sitzungen, Besprechungen,
- Tagungen u.ä.;
- Erstellen und Vorbereiten von Beratungs- und Entscheidungsvorlagen;
- Erstellen von Präsentationen;
- Kommunikationsschnittstelle für interne sowie externe Ansprechpartner/-innen;
- Planung sowie eigenständiges Nachhalten von Terminangelegenheiten;
- allgemeine Büroorganisation, Korrespondenz, Terminkoordination und Reiseorganisation.
Ihr Anforderungsprofil
- eine abgeschlossene Verwaltungsausbildung oder kaufmännische Ausbildung und mehrjährige Erfahrung im Sekretariat mit Verwaltungserfahrung;
- ein besonders hohes Maß an Diskretion, Loyalität und Zuverlässigkeit;
- selbständige, flexible und strukturierte Arbeitsweise sowie ausgeprägte organisatorische Fähigkeiten und eine schnelle Auffassungsgabe;
- Kommunikationskompetenz und Teamfähigkeit, Aufgeschlossenheit und Einsatzfreude;
- professioneller Umgang mit den gängigen MS-Office-Produkten sowie sichere Anwendung der deutschen Rechtschreibung und sehr gutes Ausdrucksvermögen in Wort und Schrift;
- Kenntnisse der Strukturen der Landeskirche und eine positive Identifikation mit den Zielen und Aufgaben der evangelischen Landeskirche in Baden runden Ihr Profil ab.
Wir bieten:
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Bewerberinnen und Bewerber senden bitte ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen (vorzugsweise als pdf in einer Datei) unter Angabe der Konfession ...
Die Klägerin - ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte/Rechtsfachwirtin und Büroleiterin in einer Anwaltskanzlei - bewarb sich fristgerecht mit Schreiben vom 26. Januar 2019 unter Vorlage eines Lebenslaufs, von Zeugnissen sowie von Fortbildungsbescheinigungen sowie mit dem Hinweis, sie sei konfessionslos (Atheistin) (Bl. 10ff. der Akte des ArbG).
Am 21. Februar 2019 fand bei der Beklagten ein Auswahlverfahren statt bestehend aus einer praktischen Aufgabe mit drei verschiedenen Aufgabenteilen am Laptop v...