Entscheidungsstichwort (Thema)
Rufschädigung eines Arbeitskollegen als Grund für eine fristlose Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Verbreitet eine Arbeitnehmerin eine unzutreffende Behauptung, die geeignet ist, den Ruf eines Kollegen erheblich zu beeinträchtigen (hier: die unzutreffende Behauptung, der Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden) per WhatsApp an eine andere Kollegin, kann dies einen Grund darstellen, der den Arbeitgeber auch zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; StGB §§ 186, 185, 187, 11 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 10.04.2018; Aktenzeichen 24 Ca 1481/18) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbG Stuttgart (24 Ca 1481/18) vom 10.04.2018 abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 6. Oktober 1987 geborene Klägerin wurde zum 15. Februar 2018 (Donnerstag) von der Beklagten als kaufmännische Angestellte eingestellt. Die Parteien vereinbarten einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 2.100 € und eine Probezeit von 6 Monaten, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen beendet werden können soll.
Nachdem sie ihre Tätigkeit für die Beklagte am 15. Februar 2018 aufgenommen hatte, besuchte die Klägerin am Samstag, den 17. Februar 2018, in ihrer Freizeit ein Café. Dort entwickelte sich ein Gespräch an der Bar mit ihrem Bekannten J. H. und weiteren flüchtigen Bekannten der Klägerin. Seitens Herrn H. und weiterer Gesprächsteilnehmer wurde geäußert, dass ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr R. S., der gleichzeitig der Vater des Geschäftsführers S. S. ist, angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein soll. Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. Dies erfuhr die Klägerin erst später, im Zusammenhang mit ihrer Kündigung.
Im Anschluss an diese Unterhaltung informierte die Klägerin am selben Tag ihre Kollegin, S. D., mittels des Messenger-Dienst "WhatsApp" über den Inhalt des Gesprächs, vor allem über das - unzutreffende - Gerücht, Herr R. S. sei ein verurteilter Vergewaltiger.
In der Konversation über WhatsApp heißt es auszugsweise (auf der rechten Seite die Nachrichten der Klägerin, auf der linken Seite die Nachrichten von Frau S. D, Mitarbeiterin der Beklagten):
"Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er [Herr R. S., Mitarbeiter der Beklagten und Vater des Geschäftsführers; Anm. des Gerichts] soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.
S. [Frau S. D.; Anmerkung des Gerichts], ich werde jetzt ALLES unternehmen, dass wir BEIDE dort rauskommen.
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Jetzt bin ich geschockt. Ich wusste das er viel scheisse gebaut hat aber das ..
Ich habe auch die Augen aufgerissen. Habe erzählt, wo ich arbeite und die Leute erzählen mir sowas.
Ja gibts da irgendein Urteil oder so und wann soll das denn gewesen sein
Keine Ahnung, das haben die Leute nicht dazu gesagt, aber ganz EHRLICH für so jemanden werde ich nicht arbeiten.
Und DU auch nicht.
Ich lasse mir etwas einfallen. Mäuschen.
So was ist schon eine krasse Behauptung
Das haben mir mehrere Leute unabhängig von einander erzählt.
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Er soll früher wohl auch Betrug in der Versicherungsbranche durchgeführt haben. Das soll aber nie angezeigt worden sein.
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Ich weiß es auch nicht, aber die Leute, die mir das erzählt haben, haben noch nie Mist erzählt. Bin auch schockiert gewesen, als ich das gehört habe. Hab sogar kurzzeitig überlegt, ihn mit den Behauptungen zu konfrontieren."
Die Klägerin hatte Frau D., die schon seit längerem für die Beklagte arbeitete, erst zwei Tage zuvor, am Tage ihrer Arbeitsaufnahme, im Betrieb kennengelernt.
Frau D. wiederum nahm noch an dem Tag, an dem sie von der Klägerin von der im Nachhinein falschen Behauptung Kenntnis erhielt, telefonisch Kontakt zum Geschäftsführer der Beklagten auf und bat um einen Gesprächstermin. In der anschließenden Unterredung, welche noch am gleichen Tag stattfand und in welcher neben dem Geschäftsführer S. S. auch dessen Vater R. S. anwesend war, informierte Frau D. über den Inhalt der WhatsApp-Kommunikation mit der Klägerin.
Der Geschäftsführer der Beklagten kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich am Montag, den 19. Februar 2018, und hilfsweise ordentlich zum 6. März 2018.
Am 13. März 2018 erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Sie ist der Ansicht, die fristlose Kündigung sei nicht rechtswirksam. Nachdem sie von dem Gerücht, dass der Mitarbeiter R. S., der Vater des Geschäftsführers, wegen Vergewaltigung verurteilt worden sein soll, gehört hatte, habe sie Anlass zur Sorge gehabt. Sie habe auf die Vertraulichkeit der Kommunikation per WhatsApp mit der Kollegin Frau D. vertraut.
Die Klägerin beantragte erstinstanzlich:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Februar 2018 nicht beendet worden ist, sondern bis zum Ablauf des 6....