Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen einem Rettungsdienst und einem Rettungssanitäter durch den Arbeitgeber wegen Verweigerung eines Transportauftrags – Dienstplangestaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Verweigert ein Rettungssanitäter einen Krankentransport unmittelbar vor Ablauf der gesetzlich und tariflich zulässigen Arbeitszeit, obwohl nicht auszuschließen ist, dass die verletzte Person ohne Zögern in das nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden muss, kann sich eine außerordentliche Kündigung jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung dann als unwirksam erweisen, wenn bei der Dienstplangestaltung durch den Arbeitgeber nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, dass ein Transportauftrag kurz vor Ende des Schichtdienstes nur dann erledigt werden kann, wenn die zulässige Arbeitszeit überschritten wird, weil das Ende der Schicht einer Rettungswagenbesatzung mit dem Beginn der Schicht der nächstfolgenden Besatzung zusammenfällt.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 26.06.2000; Aktenzeichen 5 Ca 643/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom26. Juni 2000 – 5 Ca 643/00 – wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Worte „zu unveränderten Arbeitsbedingungen” unter Ziffer 2. des Tenors des angefochtenen Urteils ersatzlos entfallen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Wert des Gegenstands im zweiten Rechtszug: 12.000,00 DM

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers beendet wurde.

Der im Kündigungszeitpunkt 33 Jahre alte Kläger, geschieden und Vater zweier Kinder im Vorschulalter, war seit 01. November 1989 beim beklagten Verein als Rettungsassistent zu einem Monatsgehalt von 4.000,00 DM brutto beschäftigt. Im schriftlich abgefassten Arbeitsvertrag nahmen die Parteien die Regelungen des Tarifvertrags über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des DRK (TV-DRK – vgl. die Kopie Bl. 23 bis 51 der Akte des Arbeitsgerichts) in Bezug. Dienstort des Klägers war die Rettungswache des Beklagten in Leinfelden.

Am 23. November 1999 hatte der Kläger zusammen mit einem Beifahrer in der Zeit von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr Tagdienst auf dem in der genannten Rettungswache stationierten Rettungswagen. An diesem Tag war der Straßenverkehr wegen Schneefalls stark beeinträchtigt. Um 17.19 Uhr erhielt die Leitstelle des Beklagten einen Anruf der Polizei, wonach eine auf der Straße gestürzte ältere Passantin Verletzungen erlitten habe und deshalb von ihrer Wohnung in Ostfildern-Kemnat ins Krankenhaus nach Ostfildern … gebracht werden müsse. Der zuständige Disponent des Beklagten setzte den Beifahrer des Klägers gegen 17.30 Uhr (über die exakte Uhrzeit besteht zwischen den Parteien Streit) über Funk davon in Kenntnis und forderte die Besatzung des Fahrzeugs zur Durchführung des Verletztentransports auf. Als der Kläger, der sich bei Eingang des Funkspruchs gerade außerhalb des Fahrzeugs aufhielt, von dieser Auftragserteilung Kenntnis erlangte, rief er von seinem Funktelefon aus die Leitstelle zurück und gab dem Disponenten unter Hinweis auf den nahen Dienstschluss zu bedenken, dass es sich nicht um einen Notfall, sondern um einen üblichen Krankentransport ohne besondere Dringlichkeit handele. Der Disponent antwortete ihm daraufhin, dass es ein Notfall sei und ordnete eine sogenannte Signalfahrt mit Blaulicht und Martinshorn an. Der Kläger und sein Beifahrer fuhren daraufhin zu der angegebenen Adresse. In der Wohnung der Patientin angelangt, befragten sie der Kläger und sein Kollege nach dem Unfallgeschehen und den dabei erlittenen Verletzungen. Beide empfahlen ihr dann, sich aufs Sofa zu legen und erklärten ihr, dass sie wegen des unmittelbar bevorstehenden eigenen Dienstendes bald von Kollegen abgeholt und ins Krankenhaus gebracht würde. Anschließend gingen der Kläger und sein Beifahrer zum Rettungswagen, meldeten der Leitstelle über Funk, dass offensichtlich kein Notfall vorliege und sie den Transport deshalb nicht mehr durchführten, und fuhren nach Leinfelden zurück. Dort trafen sie gegen 18.25 Uhr ein und beendeten ihre Schicht.

Die Patientin, die bei ihrem Sturz, wie im Krankenhaus später festgestellt wurde, einen Oberschenkelhalsbruch davongetragen hatte, wurde in der Folge erst um 19.27 Uhr in ihrer Wohnung von einer anderen Besatzung eines Rettungswagens abgeholt und ins Krankenhaus transportiert.

Wegen dieses Vorfalls teilte der Beklagte dem Betriebsrat seine Absicht mit, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen (vgl. dazu das Anhörungsschreiben vom 30.11.1999 – Bl. 103/104 der Akte des Arbeitsgerichts – und die in Bezug genommenen schriftlichen Erklärungen des Leitstellendisponenten vom 24.11.1999 und des Rettungsdienstleiters vom 26.11.1999 – Bl. 29/30 der Berufungsakte). Mit Schreiben vom 2. Dez. 1999 (...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge