Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle für ein Beschwerdeverfahren um die sachliche Rechtfertigung einer Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
Ist Streitstoff eines Beschwerdeverfahrens nach § 85 BetrVG allein die sachliche Rechtfertigung einer ausgesprochenen Abmahnung, so handelt es sich um einen Rechtsanspruch, für dessen Behandlung die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
Normenkette
ArbGG § 100; BetrVG § 85; ArbGG § 100 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 85 Abs. 2 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.06.2017; Aktenzeichen 20 BV 6206/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.06.2017 - 20 BV 6206/17 - teilweise abgeändert und der Antrag des Betriebsrats insgesamt zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle zur Behandlung einer Beschwerde einer Arbeitnehmerin wegen einer ihr erteilten Abmahnung.
Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt mit ca. 200 Beschäftigten ein Unternehmen des medizinischen Fachhandels. Der Beteiligte zu 2) ist der für den Standort Berlin gewählte Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 22.01.2017 (Bl. 24 d.A.) wandte sich eine Arbeitnehmerin an den Betriebsrat mit der Bitte um Unterstützung wegen einer ihr mit Schreiben vom 30.12.2016 erteilten Abmahnung. In dieser warf die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin vor, eine Kundin bei einer Bestellung unfreundlich behandelt zu haben, mit der Folge, dass diese zunächst die Geschäftsbeziehungen gekündigt und der Arbeitgeberin ein erheblicher Schaden entstanden sei. Die Arbeitnehmerin geht davon aus, dass sie sich bei dem Gespräch nicht vertragswidrig verhalten habe, die Kundin Geschäftsbeziehungen nicht gekündigt habe und der Beklagten auch kein Schaden entstanden sei, ihr die Abmahnung daher zu Unrecht erteilt worden sei.
Mit Schreiben vom 08.02.2017 bat der Betriebsrat die Arbeitgeberin um Rücknahme der Abmahnung und deren Entfernung aus der Personalakte. Dies begründete der Betriebsrat damit, dass sich nach Prüfung des Sachverhalts die Abmahnung als nicht zutreffend darstelle. Auch seien die Mitarbeiter/innen hinsichtlich der Bestellvorgänge so geschult worden sind, wie dies nun der Beschwerdeführerin vorgeworfen werde. Für die Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 25 d.A. Bezug genommen.
Da die Arbeitgeberin der Forderung des Betriebsrats auf Entfernung der Abmahnung nicht nachkam und auch die vom Betriebsrat geforderte Einigungsstelle zur Behandlung der Beschwerde für nicht zuständig erachtete, hat der Betriebsrat das vorliegende Verfahren zur Einrichtung einer Einigungsstelle zur Feststellung der Berechtigung der Beschwerde über die Abmahnung der Arbeitnehmerin M. P. vom 30.12.2016 eingeleitet.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.06.2017 - unter Zurückweisung des Antrags im übrigen - den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Dr. A. Sch. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Beschwerde der Arbeitnehmerin M. P. vom 30.12.2016" bestellt und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Denn auch wenn nach inzwischen vorherrschender Ansicht die Berechtigung einer Abmahnung als Rechtsfrage nicht Gegenstand einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG sein könne, könne wegen abweichender landesarbeitsgerichtlicher Entscheidungen wie z. B. des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16.11.1984 - 7 TaBV 40/84 - NZA 1985, Seite 191 und des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 09.06.1985 - 8 TaBV 11/85 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 7 nicht von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle ausgegangen werden. Es fehle an einer Klärung der Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgericht.
Gegen diesen der Arbeitgeberin am 12.06.2017 zugestellten Beschluss richtet sich ihre Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 26.06.2017 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat.
Die Arbeitgeberin hält unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.11.2005 - 1 ABR 50/04 - BAGE 116, 235 - 245 auch im Beschwerdeverfahren die Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig, weil es bei der Beschwerde der Arbeitnehmerin zum einen um die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs, nämlich die Entfernung einer Abmahnung gehe, zum anderen ausschließlich um einen vergangenheitsbezogenen Sachverhalt gehe, der einer Regelung durch die Einigungsstelle nicht zugänglich sei.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.06.2017 - Aktenzeichen 20 BV 6206/17 - insoweit abzuändern, als der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Dr. A. Sch. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Beschwerde der Arbeitnehmerin M. P. vom 30.12.2016" bestellt und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetz...