Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige, umfassende Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses. Rechtsfolgen der verspäteten, unvollständigen oder insgesamt unterlassenen Information des Wirtschaftsausschusses
Leitsatz (amtlich)
Die verspätete, unvollständige oder vollständig unterlassene Information des Wirtschaftsausschusses kann mit einem Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG geahndet werden.
Normenkette
BetrVG §§ 106, 109, 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.10.2011; Aktenzeichen 16 BV 2458/11) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2011 - 16 BV 2458/11 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen des § 23 Abs. 3 BetrVG um Zeitpunkt und Inhalt der Erfüllung der Informationspflichten der Beteiligten zu 2. als Unternehmerin gegenüber dem bei ihr gebildeten Wirtschaftsausschuss.
Nachdem der Betriebsrat im Jahre 2009 ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin wegen unzureichender Information des Wirtschaftsausschusses eingeleitet hatte (10 BV 14689/09), erklärte die Unternehmerin am 15. Oktober 2009 nach Hinweis des Gerichts, dass sie zweimal gegen ihre Pflichten aus § 106 Abs. 2 BetrVG verstoßen habe (Bl. 11 d.A.), dass sie zukünftig ihre Pflichten zur Information bzw. Unterrichtung nach § 106 Abs. 2 BetrVG gegenüber dem Wirtschaftsausschuss ordnungsgemäß, d.h. insbesondere rechtzeitig und vollständig erfüllen werde. Es handelte sich seinerzeit um die Ausgliederung des Bereiches Medizintechnik an einen externen Dienstleister zum 31. Dezember 2008 und um den Betriebsübergang des Labors zum 1. Februar 2009 auf einen neuen Inhaber.
Am 5. Januar 2011 informierte die Unternehmerin den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat anlässlich einer Betriebsratssitzung über die aus Anlass der konzerninternen Überprüfung der Unternehmensstrukturen infolge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bei den D.-Kliniken bevorstehende Stilllegung bzw. den Übergang der ärztlichen Leistungen in den Bereichen Nuklearmedizin, Strahlentherapie und Pathologie auf einen anderen Inhaber. Auf Nachfrage des Unternehmens, ob diese Information zugleich als Information für den im Unternehmen gebildeten Wirtschaftsausschuss dienen könnte, bestätigte der Sprecher des Wirtschaftsausschusses dieses. Die Einzelheiten der Information nahm der Betriebsrat in sein Protokoll (Bl. 156-157 d.A.), welches die Unternehmerin nach Übersendung und Kenntnisnahme am 1. Februar 2011 unter dem 4. Februar 2011 aus ihrer Sicht ergänzte und korrigierte (Bl. 159-161 d.A.).
Weitere konkrete Fragen des Sprechers des Wirtschaftsausschusses vom 7. Januar 2011 beantwortete die Unternehmerin am 14. Januar 2011 (Bl. 12-14 d.A.). Dabei wies sie unter anderem darauf hin, dass es sich nach ihrer Ansicht nicht um eine dem § 106 BetrVG unterfallende Maßnahme handele. Dennoch werde im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Fragenkatalog beantwortet. Dabei wurde unter anderem darauf hingewiesen (Frage 3), dass erste Überlegungen im Dezember 2010 angestellt worden seien und sich am 4. Januar 2011 verdichtet hätten. Entsprechend sei die Information am 5. Januar 2011 erfolgt. Unterlagen über Alternativplanungen gebe es nicht. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme erklärte die Unternehmerin unter anderem, dass die Kosten der Maßnahme keine Rolle bei der Entscheidung fänden. In der Wirtschaftsausschusssitzung am 28. Januar 2011 wurden weitere Informationen - auch zu anderen Tagesordnungspunkten - gegeben (Bl. 55-81 d.A.).
Die Beteiligten bewerten unterschiedlich, ob es sich um eine rechtzeitige und umfassende Auskunft handelte oder nicht.
Der Betriebsrat versuchte im Rahmen des am 16. Februar 2011 eingeleiteten Verfahrens erstinstanzlich mit einem allgemeineren und hilfsweise einem konkreteren Antrag, die "Arbeitgeberin" zu verpflichten den Wirtschaftsausschuss entsprechend § 106 BetrVG rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, soweit dadurch keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet würden und zusätzlich die sich aus diesen Informationen ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung allgemein und hilfsweise konkretisiert darzustellen.
Hilfsweise zu dem Verpflichtungsantrag stellte der Betriebsrat auch einen allgemeineren und hilfsweise einen konkreteren Unterlassungsantrag, mit denen die Arbeitgeberin verpflichtet werden sollte, Entscheidungen zu unterlassen, bis der Wirtschaftsausschuss allgemeiner über Planungen anhand von Unterlagen oder hilfsweise konkreter über Ausgliederungen oder Übertragungen informiert worden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 die Anträge teilweise als unzulässig und teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Unzulässig seien der verpflichtende Hauptantrag zu 1. und 2. mangels hinreichender Bestimmtheit und der hilfsweise zu 1. verpflichtende konkretere Antrag, weil er zu weit gefasst sei. Die hilfsweisen Unterlassungsanträge zu 1. und 2. seien unbegründet, da die dafür erforderl...