Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitteilung von Missständen am Arbeitsplatz an Außenstehende. Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters der Bußgeldstelle bei Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten des Geschwindigkeitsmessgeräts im Rahmen einer amtsgerichtlichen Zeugenvernehmung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mitteilung von Missständen an einen Richter am Amtsgericht kann in der Regel ohne vorherige Abmahnung keine fristlose Kündigung eines Angestellten im öffentlichen Dienst rechtfertigen, auch wenn dieser die Staatsanwaltschaft einschaltet und aufgrund dessen gegen die Vorgesetzte strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 07.02.2013; Aktenzeichen 2 Ca 1454/12)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 7. Februar 2013 - 2 Ca 1454/12 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine verhaltensbedingte, jedoch nur außerordentliche Kündigung.

Der Kläger ist 60 Jahre alt und seit dem 15. August 2001 in der Bußgeldstelle der Beklagten beschäftigt. Er hat mit einer Radarmessanlage Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen. Nachdem im Mai 2012 die Fehlerhaftigkeit eines Messgerätes festgestellt worden war, war dieses nach mehreren Reparaturanläufen Anfang Juni 2012 wieder einsatzfähig. Aufgrund von Unklarheiten über den Umfang der Reparatur wurde das Gerät auf Veranlassung der Beklagten am 11. Juni 2012 neu geeicht.

In einer E-Mail vom 7. Juni 2012 an die Firma J.Optik teilte die Bereichsleiterin der Bußgeldstelle folgendes mit:

"Ihrer Darstellung zum Ein-/Verbau des HCU-teils kann ich leider nicht gänzlich folgen. Ihre Aussagen und die Beobachtungen meiner Mitarbeiter während der Umbaumaßnahmen an Ihrem Mietteil stehen im Widerspruch. Meine Mitarbeiter zweifeln die Rechtmäßigkeit an und sind unter diesen Bedingungen nicht bereit, Messungen durchzuführen.

In Rücksprache mit dem zuständigen Eichamt wird es am 11.06.12 einen Eichtermin ... geben."

In einer Dienstberatung am 14. Juni 2012 verfügte die Bereichsleiterin aufgrund der Unklarheiten die Messbilder aus der Zeit vom 6. Juni 2012 bis 10. Juni 2012 zu löschen und bereits eingeleitete Bußgeldverfahren einzustellen.

Vom 6. Juni 2012 bis 10. Juni 2012 befand sich der Kläger im Urlaub. Am 13. Juni 2012 war der Kläger tätigkeitsbedingt Zeuge in einer Bußgeldsache vor dem Amtsgericht. Im Anschluss an die Vernehmung berichtete der Kläger dem dortigen Richter am Amtsgericht S. L. von den Problemen mit der Messanlage. Die Einzelheiten des Gespräches sind streitig.

Am 27. Juni 2012 beantragte das Landeskriminalamt unter anderem für den Kläger eine Aussagegenehmigung. In der diesbezüglichen E-Mail (Bl. 56 d.A.) ist unter anderem ausgeführt:

"Durch die Fachdirektion LA BB, LKA ..., Kommisariat Amtsdelikte, sind gemäß Verfügung der zuständigen StA Potsdam vom 20.06.2012, diese Personen im Verfahren ... gegen G. u.a. wegen Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat u.a. Delikte als Zeugen zu vernehmen."

Richter L. machte über das Gespräch mit dem Kläger im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen am 22. November 2012 einen Vermerk (Bl. 127 d.A.), der einem entsprechenden Vermerk vom 13. Juni 2012 (Bl. 193 d.A.) entsprach. Dieser Vermerk lautet:

"Der Zeuge E., Angestellter der Stadt Potsdam, erscheint am heutigen Tage anlässlich einer Hauptverhandlung und macht außerhalb der Verhandlung folgende Mitteilung:

Das von der Stadt Potsdam eingesetzte Messgerät der Firma J.Optik, Typ Robot (Radarmessgerät) sei seitens der Stadtverwaltung auf Weisung der Leiterin der Bußgeldstelle G. in der Zeit von Di., 05.06. bis so., 10.06.2012 eingesetzt worden, obwohl diese wusste, dass durch einen Austausch des Handkontrollgerätes keine gültige Eichung vorlag.

Zuvor hätten die Messbediensteten Go. und Gr. die Eichmarke vom alten Handkontrollgerät entfernt und auf das neue aufgeklebt.

Dies sei anlässlich der am Mo. 11.06.2012 durchgeführten Eichung auch aufgefallen.

Messungen mit dem Gerät seien im o.g. Zeitraum nur durch die Zeugin Go. durchgeführt worden, da sich andere Mitarbeiter geweigert hätten.

Es sei auch die Anweisung erteilt worden, Stillschweigen zu bewahren, da andernfalls mit dienstrechtlichen Konsequenzen (Abmahnungen) zu rechnen sei."

Die Bereichsleiterin des Klägers erfuhr von dem Gespräch am 13. Juni 2012, telefonierte mit Richter L. und fertigte am 13. Juni 2012 über den Vorgang einen Vermerk (Bl. 43 d.A.). In diesem Vermerk fasste sie unter anderem die ihr von Richter L. dargestellten Äußerungen des Klägers zusammen. Danach hatte Richter L. sowohl auf die eichrechtlichen Bedenken und eine dienstliche Anweisung unter Androhung arbeitsrechtlicher Folgen hingewiesen.

Die Bereichsleiterin informierte die Personalstelle am 15. Juni 2012. Eine Anhörung des Klägers am 21. Juni 2012 wurde auf Wunsch d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge