Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Kündigung bei Betriebsstilllegung eines Luftverkehrbetriebes. Unwirksamkeit der Kündigung bei Betriebsübergang. Abgrenzung zwischen Betriebsstilllegung und Betriebsübergang. Wirtschaftliche Einheit bei einem Luftverkehrsbetrieb. Massenentlassungsanzeige und Interessenausgleich bei Kündigung. Zuständiges Arbeitsamt für Massenentlassungsanzeige

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Luftverkehrsbetrieb gehören die eingesetzten Flugzeuge zu den wesentlichen Betriebsmitteln, deren Übergang als ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung des Vorliegens eines Betriebsübergangs anzusehen ist (vgl. EuGH 09.09.2015 - C-160/14). Die Flugzeuge sind aber nicht allein identitätsbestimmend. Die Identität eines Flugbetriebs wird durch das Flugpersonal mitgeprägt, das für die ordnungsgemäße Durchführung des Flugzeuges unverzichtbar ist und das über eine bestimmte Ausbildung bzw. Qualifizierung verfügen muss sowie durch die erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen (Anschluss an LAG Düsseldorf vom 17.10.2018 - 1 Sa 337/18).

2. Zur örtlichen Zuständigkeit der Arbeitsagentur für die Massenentlassungsanzeige.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; BGB § 613a Abs. 1; KSchG § 17 Abs. 2-3, 1, §§ 18, 24 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.05.2018; Aktenzeichen 23 Ca 15824/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.05.2018; Aktenzeichen 23 Ca 15672/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.05.2018; Aktenzeichen 25 Ca 15795/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.05.2018; Aktenzeichen 25 Ca 15648/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.04.2018; Aktenzeichen 30 Ca 15834/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.04.2018; Aktenzeichen 30 Ca 15833/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.04.2018; Aktenzeichen 30 Ca 15801/17)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.04.2018; Aktenzeichen 30 Ca 15748/17)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Kläger gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Berlin

vom 28.05.2018 - 23 Ca 15672/17, 23 Ca 15824/17 -,

vom 04.05.2018 - 25 Ca 15648/17, 25 Ca 15795/17 -,

vom 24.04.2018 - 30 Ca 15748/17, 30 Ca 15801/17

und vom 27.04.2018 - 30 Ca 15833/17, 30 Ca 15834/17 -

werden zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben jeweils die Gerichtsgebühren des zweiten Rechtszugs zu tragen, wobei sich die Gebühren nach den Streitwerten des einzelnen Berufungsverfahrens richten.

Die Kläger tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Sie haben die vor der Verbindung der Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten jeweils nach Maßgabe des Gegenstandswerts des einzelnen Berufungsverfahrens zu tragen. Die nach der Verbindung der Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Kläger zu 1. zu 11%, der Kläger zu 2. zu 8%, der Kläger zu 3. zu 10%, der Kläger zu 4. zu 11%, der Kläger zu 5. zu 15%, der Kläger zu 6. zu 19%, der Kläger zu 7. zu 19% und der Kläger zu 8. zu 7% zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen, die der Beklagte mit einer Betriebsstilllegung begründet, hilfsweise über Ansprüche der Kläger auf Wiedereinstellung. Die Kläger machen die Unwirksamkeit der Kündigung im Wesentlichen mit der Begründung geltend, es läge ein Betriebs(teil)übergang vor.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Berlin PLC Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Schuldnerin). Die Schuldnerin war bis zur Insolvenzeröffnung am 1. November 2017 die zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands mit Sitz in Berlin, die unter ihrem Air Operator Certificate (AOC) mit Kurz- und Mittelstreckenmustern der Airbus 320-Familie (A 319, A 320 und A 321) sowie Langstreckenflugzeugen des Musters Airbus A 330-200 hauptsächlich Ziele in ganz Europa, Nordafrika und Israel sowie interkontinental Städte in Nord- und Mittelamerika anflog. Sie beschäftigte im August 2017 insgesamt 6.121 Arbeitnehmer, von denen 1.318 als Piloten und 3.362 Mitarbeiter im Bereich der Kabine tätig waren. Die für den Flugbetrieb verwendeten Flugzeuge standen nicht im Eigentum der Schuldnerin, sondern waren über verschiedene Vertragspartner geleast. Die Schuldnerin war zudem alleinige Eigentümerin des österreichischen Flugbetriebs N. L. GmbH mit Sitz in Wien, welche 21 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge der A 320-Familie betrieb.

Die Kläger zu 1 bis 3 sowie der Kläger zu 8 waren bei der Schuldnerin als Copiloten beschäftigt und zwar der Kläger zu 1 seit dem 27.06.2011, der Kläger zu 2 seit dem 08.05.2007, der Kläger zu 3 seit dem 08.04.2008 und der Kläger zu 8 seit dem 08.05.2006.Die Kläger zu 4,5,6 und 7 waren bei der Schuldnerin zuletzt als Flugkapitäne beschäftigt und zwar der Kläger zu 4 seit dem 8.12.1999, der Kläger zu 5 seit dem 19.03.2001, der Kläger zu 6 seit dem 08.01.2001 und der Kläger zu 7 seit dem 15.10.1990. Die Kläger zu 1 und 6 waren in Düsseldorf stationiert, der Kläger zu 2 in Hamburg, die anderen Kläger am Flughafen Berlin-Tegel. Für die Arbeitsverträge im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Berufungskläger vom...

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