Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungspflicht von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Das Umziehen im Betrieb, soweit eine auffällige Bekleidung anzulegen ist, ist nach der Rechtsprechung des BAG auf jeden Fall fremdnützig, da es sich um eine Tätigkeit handelt, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Die ausschließliche Fremdnützigkeit entfällt nach hiesiger Ansicht jedenfalls dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer zu Hause umzieht und ihm eine zumutbare betriebliche Umkleidemöglichkeit durch den Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestellt wird.
2. Der Arbeitsweg wird selbst dann nicht ausschließlich fremdnützig zurückgelegt, wenn wegen unzumutbarer Umkleidemöglichkeiten vor Ort die Uniform schon zu Hause angelegt werden muss. Der Arbeitsweg bleibt insofern mindestens auch eigennützig.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 611; ArbStättV Anhang Nr. 4.1 Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1, § 287 Abs. 2, 1 Sätze 1-2; TV-L § 6 Abs. 1 S. 3, Abs. 3, § 7 Abs. 8 Buchst. c) Alt. 1, § 8 Abs. 1 Sätze 4-5, § 24 Abs. 1 S. 4, § 37 Abs. 1; ArbZG § 11 Abs. 1, 3 S. 1, Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 31.01.2019; Aktenzeichen 58 Ca 13324/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.01.2019 - 58 Ca 13324/17 - teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger in der Zeit seit dem 1. April 2016 an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, jeweils im häuslichen Bereich erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) sowie das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umfang von insgesamt 12 Minuten (bestehend aus 6 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 6 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) nach Maßgabe der tariflichen Vorschriften des TV-L nach der zutreffenden Entgeltgruppe des Klägers zu vergüten;
2. Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger für 14,14 Arbeitsstunden für geleistete Mehrarbeit am 25. Dezember 2017, 26. Dezember 2017, 1. Mai 2018 und 10. Mai 2018 Mehrarbeitsvergütung zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
V. Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit der Hilfsantrag zu 2. zurückgewiesen wurde. Im Übrigen wird sie für die Parteien nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten, um die Gewährung von Ruhezeiten und beschäftigungsfreien Sonntagen, um den Ausgleich dienstfreier Zeiten an Feiertagen und um die regelmäßige Beschäftigung im neuen Arbeitszeitmodell an mehr als fünf Tagen pro Woche.
Der 1956 geborene Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 06.01.1991 seit dem 01.01.1991 als Wachpolizist vollzeitig im Zentralen Objektschutz bei dem beklagten Land beschäftigt. Er ist mit einem Grad von 40 schwerbehindert und einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Im streitgegenständlichen Zeitraum seit Sommer 2015 war und ist er als Springer in zahlreichen zu bewachenden Objekten eingesetzt. Die Objekte wechselten teilweise mehrmals pro Woche. In dem hier relevanten Zeitraum wenden die Parteien auf ihr Arbeitsverhältnis den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 07.11.2017 (nachfolgend: TV-L) an, der auszugsweise lautet:
§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) 1Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen ...
• b)beträgt im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für die nachfolgend aufgeführten Beschäftigten:
o aa)Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten ...
2Bei Wechselschichtarbeit werden die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in die Arbeitszeit eingerechnet. 3Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.
(2) 1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, sowie für die Durchführung so genannter Sabbatjahrmodelle ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.
(3) 1Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Tabellenentgelts und der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile von der Arbeit freigestellt. 2Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. 3Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. D...