Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen „Mobbing”. Anforderungen an die Substantiiertheit des Klägervortrages
Leitsatz (amtlich)
Behauptet eine Arbeitnehmerin, sie sei durch despotisches Führungsverhalten ihrer Arbeitgeberin seelisch krank geworden, muss sie im Prozess um Schadensersatz und Schmerzensgeld eine größere Anzahl einzelner „Tathandlungen” nach Zeit, Situation und sonstigen Umständen darlegen und unter Beweis stellen. Es genügt nicht zu behaupten, die Arbeitgeberin habe „fast jeden zweiten Tag herumgebrüllt” und diese oder jene oder eine dritte Beleidigung ausgesprochen
Normenkette
BGB §§ 280, 286, 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 06.03.2002; Aktenzeichen 29 Ca 7484/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2002 – 29 Ca 7484/01 – teilweise geändert:
- Der Feststellungsantrag wird als unzulässig abgewiesen.
- Der auf Zahlung von Schmerzensgeld gerichtete Antrag wird auch in Höhe von 7.500,– Euro nebst anteiligen Zinsen als unbegründet abgewiesen.
- Der auf Zahlung der Differenz zwischen Nettovergütung und Krankengeld (3.490,77 Euro für die Zeit März bis Oktober 2001) und der auf Zahlung entgangenen Urlaubsgeldes (957,32 Euro für 2001) wird nebst anteiligen Zinsen als unbegründet abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 12.653,45 Euro (zwölftausendsechshundertdreiundfünfzig 45/100) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25. Mai 2002 zu zahlen.
III. Die Kosten erster Instanz, die nicht bereits durch das rechtskräftige Teilurteil vom 1. August 2001 geregelt worden sind, werden bei einem (weiteren) Kosten- und Gebührenstreitwert von 28.120,91 Euro der Klägerin allein auferlegt.
Die Kosten zweiter Instanz trägt die Klägerin bei einem Kosten- und Gebührenstreitwert von 30.123,49 Euro ebenfalls allein.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten – in zweiter Instanz noch – über Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen „Mobbing”; die Klägerin macht geltend, die Geschäftsführerin der Beklagten habe durch despotisches und ehrkränkendes Führungsverhalten eine langanhaltende Depression bei ihr schuldhaft verursacht.
Das Arbeitsverhältnis der am 6. November 1943 geborenen Klägerin als Bürokauffrau in dem von der Beklagten betriebenen Altenheim begann am 28. Juli 1993. Aus der Zeit vor August 1999 haben beide Parteien wechselseitig keine Beanstandungen vorgetragen. Ab 17. Januar 2001 blieb die Klägerin krankheitsbedingt der Arbeit fern. In der Folgezeit erhielt sie zwei Abmahnungen vom 9. Februar 2001, in denen verspätete Mitteilungen über Beginn und Fortsetzung der Arbeitsunfähigkeit und verspätete Vorlage der ärztlichen Atteste gerügt wurde, ferner ein weiteres Schreiben unter demselben Datum, in dem die Klägerin aufgefordert wurde mitzuteilen, wo ein bis zum 17. Januar 2001 in ihrer Personalakte befindliches „Abmahnschreiben über ihre Alkoholabhängigkeit” verblieben sei, ferner um Anfertigung und Zusendung einer Kopie. Unter dem 13. Februar 2001 erteilte die Beklagte eine weitere Abmahnung mit der Begründung, nach dem Fernbleiben der Klägerin sei festgestellt worden, sie hätte Arbeiten im Zusammenhang mit der Führung von Parkplatzlisten nicht sorgfältig und zeitnah erledigt. Unter dem 19. Februar 2001 wurde die Klägerin sodann zu einem Nachweis darüber aufgefordert, wo etwa acht bis zehn volle Flaschen Alkohol verblieben seien, die die Klägerin im August 2000 in einer Altenwohnung sichergestellt hatte und die sie nach einer Aufforderung der Geschäftsführerin von November 2000 einer anderen Mitarbeiterin zur Sicherstellung habe übergeben sollen. Schließlich erhielt die Klägerin unter demselben Datum (19. Februar 2001) eine Abmahnung mit dem Vorwurf, drei Tage zuvor sei der Geschäftsführerin von anderen Mitarbeitern mitgeteilt worden, die Klägerin habe während der Abwesenheit der Geschäftsführerin vom 10. bis 24. November 2000 sowie am 2. und 15. Januar 2001 bei der Arbeit unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 12. März 2001 eingereichten Klage hat sich die Klägerin zunächst gegen die genannten vier Abmahnungen und die beiden weiteren Schreiben gewandt und deren Entfernung aus der Personalakte sowie ihren Widerruf verlangt, ferner ein Zwischenzeugnis sowie Zahlung eines Zinsschadens wegen verspäteter Zahlung des Februargehaltes 2001. Im Wege der Klageerweiterung hat sie sodann – bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit – die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche rechtshängig gemacht, die jetzt noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind.
Durch Teilurteil vom 1. August 2001, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird (Bl. 98 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht die Beklagte (die insoweit anerkannt hat) zur Erteilung des Zwischenzeugnisses und zum Ersatz des Zinsschadens (17,70 DM) verurteilt, ferner dazu, die Schreiben vom 9. und 19. Februar 2001 sowie die Abmahnungen vom 1...