Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessaufrechnung in der Berufungsinstanz. Haftungsprivileg für eine arbeitnehmerähnliche Person

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Begründung der Berufung gegen das Urteil eines Arbeitsgerichts braucht der Berufungskläger nicht gem. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO, § 67 Abs. 6 Satz 1 ArbGG Tatsachen darzulegen, aufgrund deren seine Angriff- und Verteidigungsmittel zuzulassen sind, weil der dort in Bezug genommene § 531 Abs.2 ZPO im Arbeitsgerichtsprozess durch die spezielle Vorschrift des § 67 ArbGG verdrängt wird, der weiterhin auch schuldhaft verspätetes Vorbringen zulässt, sofern dieses die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert.

2. § 533 Nr. 2 ZPO erfordert für die Zulässigkeit (der Geltendmachung) einer Aufrechnungserklärung in der Berufungsinstanz nicht, dass der Tatsachenvortrag zur Berufungsforderung, auf den allein die Aufrechnungserklärung gestützt werden kann, bereits für sich zur Berufungsbegründung genügt hätte.

3. Eine arbeitnehmerähnliche Person, die nicht in den vom Auftraggeber organisierten Bereich eingegliedert ist, haftet für jede Art Verschulden.

 

Normenkette

BGB § 394; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4, § 533 Nr. 2, § 850 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 38 Ca 34413/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbG Berlin vom 10.10.2002 – 38 Ca 34413/01 – insoweit geändert, wie die Beklagte zur Zahlung von mehr als 6.887,48 EUR nebst 4 % Zinsen aus je 1.782,98 EUR seit dem 01.12.1998, 01.01., 01.02. und 01.03.1999 verurteilt worden ist, und die Klage insoweit abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 10.768,00 EUR der Kläger zu 15,27 % und die Beklagte zu 84,73 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 25.416,52 EUR von der Beklagten allein zu tragen sind.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte zur Zahlung von 10.768,00 EUR Vergütung für die Zeit von November 1998 bis November 1999 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Parteien hätten einen Dienstvertrag geschlossen, in dem sich der Kläger zur Erbringung einer Qualitäts- und Kostenüberwachung anlässlich der Sanierung und Modernisierung eines Wohnhauses verpflichtet habe. Der Kläger habe hinreichend substantiiert dargetan, seine Dienstleistung innerhalb des streitigen Zeitraums erbracht zu haben, was die Beklagte nicht substantiiert bestritten habe. Die Stagnation eines Bauvorhabens könne unterschiedlichste Ursachen haben; ob den Kläger ein Verschulden daran treffe, sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar.

Gegen dieses ihr am 06. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. Dezember 2002 eingelegte und am 06. Januar 2003 begründete Berufung der Beklagten. Sie bringt vor, der Kläger habe den mit ihr geschlossenen Vertrag schlecht erfüllt, so dass ein Werklohnanspruch nicht entstanden sei und ihr Schadenersatz zustehe. Die Beklagte macht deshalb geltend, die Klageforderung im Wege schriftsätzlich erklärter Aufrechnung mit vier Schadenersatzforderungen in Höhe eines erststelligen Teilbetrages von jeweils 11.000,00 EUR zum Erlöschen gebracht zu haben. So sei ihr durch die verspätete Feststellung des Bauvorhabens ein Zinsschaden von 480.218,13 DM entstanden, habe der Kläger für den Dachausbau 24.695,64 DM mehr freigegeben als im Pauschalfestpreis vorgesehen, habe er nach eigenen Angaben bei einem Bautenstand von 58,02 % insgesamt 389.865,16 DM zuviel freigegeben, und habe er trotz unveränderten Bautenstands bezüglich der Position Personenaufzüge laut Bautenstandbericht vom 26. September 1998 weitere 90.782,61 DM freigegeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung bereits für unzulässig, weil die Beklagte sich weder mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt noch ihre Berufung auf neue Tatsachen oder Beweismittel gestützt habe, nachdem sie schon in erster Instanz Schlechterfüllung geltend gemacht habe. Der Kläger meint, die erklärte Aufrechnung sei ebenfalls prozessual unzulässig, und bestreitet die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz vor Schluss der mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit nachgereichten Schriftsätzen erstmals eine Begründung für die Überschreitung des Pauschalfestpreises hinsichtlich des Dachgeschossausbaus gegeben und seine Unterhaltspflichten näher dargelegt.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist zulässig.

Insbesondere entspricht ihre Begründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte hat erklärt, inwieweit das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin angefochten und welche...

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