Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Einstellung eines Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern wird im Hinblick auf ein mögliches Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG der Betriebsrat insbesondere darüber zu informieren sein, ob und in welchem Umfang und aus welchen Gründen durch die Einstellung bereits im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Aus den Besonderheiten des Leiharbeitsverhältnisses dürfen keine Einschränkungen für den Umfang der Unterrichtungspflicht abgleitet werden.
2. Über die mögliche Auswirkung der beabsichtigten personellen Maßnahme auf die Stammbelegschaft hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch dann zu informieren, wenn er der Auffassung ist, der Betriebsrat könne aus den ihm nicht mitgeteilten Informationen kein Zustimmungsverweigerungsrecht ableiten. Der Arbeitgeber hat insoweit kein „Vorprüfungsrecht”. Zu den Informationen über die Auswirkungen der Einstellung von Leiharbeitnehmer auf die im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmer gehören auch Beeinträchtigungen eventueller Ansprüche oder Wünsche von Teilzeitbeschäftigten oder befristet beschäftigten Arbeitnehmern, mehr oder länger arbeiten zu wollen, soweit die personelle Maßnahme einen Arbeitsplatz betrifft, der von diesen im Rahmen ihres Arbeitsvertrags ausgefüllt werden könnte.
3. Hierüber ist der Betriebsrat insbesondere dann zu informieren, wenn Teilzeitbeschäftigte oder befristet beschäftigte Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber entsprechende Wünsche geäußert haben. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch darüber zu unterrichten, ob die zu besetzende Stelle entsprechend dem Verlangen des Betriebsrats nach § 93 BetrVG ausgeschrieben worden ist. Der Arbeitgeber muss gem. § 99 Abs. 1 BetrVG alle im Zusammenhang mit der Bewerbung um die betreffende Stelle von den Bewerbern selbst eingereichten Unterlagen und die entsprechenden Unterlagen aller anderen Stellenbewerber, d.h. auch der abgelehnten Bewerber dem Betriebsrat vorlegen. Der Arbeitgeber ist aber nur verpflichtet, die schriftlichen Unterlagen, die ihm vorliegen, dem Betriebsrat vorzulegen.
4. Die Ausführungen eines Betriebsrats, mit denen er die Befürchtung äußert, dass bereits beschäftigte – namentlich benannte – Arbeitnehmer/innen Nachteile dadurch erleiden würden, dass sie keine Aufstockung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit oder dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer/innen keine Verlängerung ihrer Verträge erhalten würden, ebenso wie seine Ausführungen, die zur Einstellung vorgesehenen Leiharbeitnehmer/innen würden möglicherweise nicht den Mindestlohn von EUR 7,50 erhalten – zumindest könne er auf Grund fehlender Informationen nicht beurteilen, ob diese Vorgabe eingehalten werde – lassen es durchaus möglich erscheinen, dass einer dieser Gründe i.S.v. § 99 Abs. 2 BetrVG gegeben ist.
Normenkette
BetrVG §§ 99-100
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Beschluss vom 06.05.2009; Aktenzeichen 6 BV 635/08) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 06.05.2009 – 6 BV 635/08 abgeändert.
Die Anträge der Arbeitgeberin werden zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
3. Die Rechtsbeschwerde wird gegen diesen Beschluss zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung sowie über die sachliche Notwendigkeit einer entsprechenden vorläufigen Maßnahme.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt ein Krankenhaus. Der Antragsgegner (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.
Im Arbeitsbereich Küche setzt die Arbeitgeberin neben eigenen Mitarbeitern, Mitarbeiter im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen ein. Seit dem 30.04.2008 ist u.a. Herr C. S. bei der Arbeitgeberin im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung im Küchenbereich eingesetzt. Dazu beantragte die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat die Erteilung der Zustimmung, die dieser verweigerte. Hierzu wurden schon zwei Beschlussverfahren vor dem Arbeitgericht Bremen-Bremerhaven (Az.: 3 BV 311/08 und 9 BV 913/08) geführt, die inzwischen eingestellt wurden. Wegen Personalengpässen im Bereich der Küche plante die Arbeitgeberin einen weiteren (befristeten) Einsatz des Herrn S..
Mit Schreiben vom 01.12.2008, beim Betriebsrat eingegangen am 11.12.2008, beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Verlängerung der befristeten Einstellung des Herrn S. „ab sofort bis längstens zum Zeitpunkt der Belieferung mit Cook+Chill-Produkten” im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung für wöchentlich 30 Stunden. Gleichzeitig wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass „die Maßnahme als vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG durchgeführt werde, um den laufenden ...