Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfühlungsverhältnis. Sittenwidrige Vergütungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Einfühlungsverhältnis ist ein loses Rechtsverhältnis eigener Art. Es besteht darin keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Eine bestimmte Arbeitszeit muss nicht eingehalten werden. Im Gegensatz zum Arbeitsvertrag unterliegt derjenige, der in den Betrieb aufgenommen wird, um sich „einzufühlen”, nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Darin unterscheidet sich das Einfühlungsverhältnis vom Probearbeitsverhältnis. Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen werden. Wenn Parteien ihr Vertragsverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis durchführen, ist vielmehr die tatsächliche Handhabung entscheidend.
2. Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit in einer sog. Kennenlernphase ist als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten, wenn deren Zweck tatsächlich die Erprobung war. Eine Einarbeitung mag es rechtfertigen, die Vergütung während der Zeit der Einarbeitung niedriger als für die Zeit danach anzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 611, 612 Abs. 2, §§ 615, 138 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 01.03.2007; Aktenzeichen 14 Ca 5367/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.03.2007 – 14 Ca 5367/06 – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht das Teil-Versäumnisurteil vom 19.10.2006 in Ziffern 1) mit folgender Maßgabe aufrechterhalten hat: Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 03.08.2006 ein Arbeitsverhältnis besteht, soweit das Arbeitsgericht das Teil-Versäumnisurteil vom 19.10.2006 in Ziffern 2) und 3) aufrechterhalten hat und soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger die Anmeldebescheinigung zur Sozialversicherung ab dem 03.08.2006 auszuhändigen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob sie ein „Einfühlungsverhältnis” oder ein Arbeitsverhältnis eingegangen sind und über diverse Ansprüche des Klägers.
Die Bundesagentur für Arbeit schlug dem bei ihr als arbeitssuchend gemeldeten Kläger mit Schreiben vom 27.07.2006 einen Arbeitsplatz bei der Beklagten als Call-Center-Agent vor. Das Stellenangebot der Beklagten enthielt u. a. folgende Details: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Ausübung der Position in Voll-, Teilzeit oder geringfügig möglich, Gehalt: 8,50 bis 10,00 EUR pro Stunde plus Provision, unbefristet, Arbeitszeiten: Vollzeit.
Am 01.08.2006 nahm der Kläger bei der Beklagten an einer Bewerberrunde teil. Dabei wurde den Bewerbern und Bewerberinnen mitgeteilt, es solle zunächst eine Kennenlernphase von drei Tagen geben, die jederzeit abgebrochen werden könne.
Der Kläger war am 03.08. und 04.08.2006 jeweils von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr und am 07.08.2006 von 10.15 Uhr bis 20.00 Uhr in den Büroräumen der Beklagten anwesend. In welchem Umfang der Kläger in die Tätigkeit eines Call-Center-Agenten eingewiesen und geschult wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig hat der Kläger am 07.08.2006 die Tätigkeit eines Call-Center-Agenten, teilweise unter Aufsicht, ausgeübt.
Über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 27.10.2006 vorsorglich erklärten Kündigung streiten die Parteien vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf in einem weiteren Rechtsstreit, der wegen Vorgreiflichkeit des vorliegenden Rechtsstreits ruht.
Der Kläger hat behauptet, er habe in der Bewerberrunde mit der Vertreterin der Beklagten vereinbart, dass er eine dreitägige Probezeit absolviere. Diese habe erklärt, es werde am Ende des dritten Tages entschieden, ob das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. In diesem Fall beginne der Arbeitsvertrag am ersten Tag. Er habe auch am 08.08. und 09.08.2006 jeweils von 10.15 Uhr bis 20.00 Uhr für die Beklagte gearbeitet. Am 09.08.2006 habe der Geschäftsführer der Beklagten das Arbeitsverhältnis mündlich gekündigt. An jedem der fünf Arbeitstage habe er, der Kläger, mindestens 120 Anwählversuche getätigt und ca. 60 Telefongespräche geführt.
Auf Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht Düsseldorf durch Teilversäumnisurteil vom 19.10.2006 festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 03.08.2006 ein sozialversicherungspflichtiges ungekündigtes und unbefristetes Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit besteht, die Beklagte verurteilt, den Kläger als Call-Center-Agent weiterzubeschäftigen, ihm eine Gehaltsabrechnung für August 2006 zu erteilen und die Beklagte ferner verurteilt, an den Kläger das August-Gehalt in Höhe von 1472,20 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 zu zahlen.
Gegen das ihr am 26.10.2006 zugestellte Teilversäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 27.10.2006 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.10.2006...