Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bei Nichtnennung aller Einzelheiten der Anhörung des Schwerbehindertenvertreters. Wirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen rassistischer Äußerungen gegenüber Kollegen. "Türken in die Gaskammer" als schwerwiegende Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zu einer verhaltensbedingten Kündigung gegenüber einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer wegen schwerer rassistischer und beleidigender Äußerungen gegenüber Arbeitskollegen
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 1; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 27.02.2020; Aktenzeichen 2 Ca 1324/29) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 27.02.2020 - Az.: 2 Ca 1324/19 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 27.07.1963 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1997, unter Einbeziehung einer anrechenbaren Vorbeschäftigungszeit seit dem 01.09.1981, als Facharbeiter am Standort der Beklagten in P. tätig. Die monatliche Vergütung des Klägers beläuft sich auf 4.294,61 € brutto. Der Kläger ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50% anerkannt. Die Parteien schlossen einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 12 f. der Gerichtsakte), nach dem der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie (MTV Chemische Industrie) anwendbar war. § 11 Abs. III Ziffer 2 MTV Chemische Industrie verweist hinsichtlich der Kündigungsfristen auf die gesetzliche Regelung.
Im Betrieb der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, existieren ein Betriebsrat sowie eine Schwerbehindertenvertretung. Zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen wurde Herr N. gewählt. Darüber hinaus existiert eine Gesamtschwerbehindertenvertretung. Gesamtschwerbehindertenvertreter ist Herr L...
Die Beklagte kündigte - u. a. nach Anhörung des Herrn L.. - das Arbeitsverhältnis zunächst mit Schreiben vom 31.01.2019 fristlos und stützte die Kündigung auf die Behauptung, der Kläger habe am 08.01.2019 in der Küche der Werkstatt am Standort P. auf Nachfrage des Mitarbeiters F., welche Geschenke er zu Weihnachten erhalten habe, geantwortet: "Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber leider nicht bekommen. Hätte ich eine Gaskammer, würde ich sie alle dort rein schicken. Denn weißt Du, Türken muss man ins Feuer setzen, in die Gaskammer und dann den Kopf abschlagen". Vor dem Ausspruch dieser Kündigung führte die Beklagte mit dem Kläger am 17.01.2019 ein Personalgespräch, an dem neben der Personalleiterin D. und dem Werksverbundleiter Q. auch die Betriebsratsmitglieder I. und C. teilnahmen. Über dieses Gespräch fertigte Frau D. eine Gesprächsnotiz (Bl. 83 d. A.), in der sie u. a. ausführte:
"Nach der Begrüßung verlas Frau D. die Protokolle zu den Anhörungen der Fremdfirmenmitarbeiter Herrn D. und Herrn C. zu ihren Anschuldigungen gegen Herrn C. und bat Herrn C. hierzu Stellung zu nehmen.
Herr C. antwortete: "Ich kann mich daran nicht erinnern."
..."
Gegen die Kündigung vom 31.01.2019 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Oberhausen stellte mit Urteil vom 26.06.2019 im Rechtstreit 1 Ca 178/19 fest, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung des Urteils (Bl. 132R ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis sodann - ohne Zustimmung des Integrationsamtes - mit Schreiben vom 31.07.2019. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger ebenfalls Klage vor dem Arbeitsgericht Oberhausen (Aktenzeichen 2 Ca 950/19). In diesem Rechtsstreit einigten sich die Parteien auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bei fortbestehender widerruflicher Freistellung des Klägers.
Mit Schreiben vom 05.07.2019 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers. Mit Bescheid vom 26.09.2019, der den jetzigen Bevollmächtigten der Beklagten am 27.09.2019 zuging, erteilte das Integrationsamt die Zustimmung. Die Beklagte befragte sodann im Zeitraum September/Oktober 2019 weitere Mitarbeiter zum Verhalten des Klägers. Mit Schreiben vom 21.10.2019 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten erneuten Kündigung des Klägers an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 113-119 der Gerichtsakten Bezug genommen. In der Anhörung heißt es auszugsweise:
"Die Schwerbehindertenvertretung ist über den dem Kündigungsbegehren zugrundeliegenden Sachverhalt am 03.07.2019 bereits unterrichtet worden und wird gleichzeitig mit der Anhörung des Betriebsrats ebenfalls formell angehört.
Wir halten die beabsichtigte verhaltensbedingte ordentliche Kündigung aus f...