Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsnatur eines Vertrages über die Erbringung von Lehrtätigkeiten
Leitsatz (amtlich)
kein Leitsatz vorhanden
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein Lehrer als Angestellter und damit Arbeitnehmer oder als selbständige Honorarkraft tätig wird, hängt davon ab, wie intensiv in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang er den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtsgestaltung, die Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten kann und inwieweit er zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann.
2. Bei typisierender Betrachtungsweise ist danach Arbeitnehmer, wer an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet, auch wenn er seine Tätigkeit nebenberuflich ausübt. Dagegen können etwa Volkshochschuldozenten, die nur Zusatzunterricht erteilen, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt.
3. Eine weitgehende Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Unterrichtszeiten und des -umfangs sowie der Unterrichtsinhalte und die Verpflichtung zu weiteren Tätigkeiten wie das Führen des Klassenbuchs oder einer Anwesenheitsliste, das Ausfüllen von Teilnehmerbewertungsbögen sind Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 02.02.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1409/10) |
Tenor
1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Oberhausen vom 02.02.2011 - Az. 1 Ca
1409/10 - teilweise abgeändert.
Die Zahlungsklage des Klägers wird abgewiesen, soweit die Beklagte zu Ziffer 2 des Urteilstenors zu einer Zahlung von mehr als 3.900,-- € brutto nebst Zinsen und zu Ziffer 3 des Urteilstenors zu einer Zahlung von mehr als 1.120,-- € brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist.
2.Die weitergehende Berufung der Beklagten wird als
unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die
Verurteilung zur Zahlung von 800,-- € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2010 richtet.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils klarstellend wie folgt
formuliert wird:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien jedenfalls bis zum 12.01.2011 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
3.Die Kosten erster Instanz trägt der Kläger zu 11 %, die
Beklagte zu 89 %. Die Kosten der Berufung trägt der
Kläger zu 4%, die Beklagte zu 96 %.
4.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Arbeitnehmerstatus des Klägers sowie über finanzielle Ansprüche aus ihrem zwischenzeitlich beendeten Vertragsverhältnis.
Die Beklagte betreibt eine Bildungsakademie mit Sitz in P. und führt an den Standorten P., E., N., C., F. und H. im Auftrag von Arbeitsagenturen, Sozialämtern und der ARGE Fortbildungsmaßnahmen für Empfänger von Arbeitslosengeld I und II durch. Der 49 Jahre alte, verheiratete Kläger ist Volljurist und agierte seit Beginn des Jahres 2003 als selbständiger Rechtsanwalt. Als solcher befindet sich der Kläger seit Ende des Jahres 2008 im Insolvenzverfahren; zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in diesem Zusammenhang seine Zulassung als Rechtsanwalt aufgegeben hat.
Nach Antrag auf Gewährung von Sozialleistungen nahm der Kläger im April 2008 auf Veranlassung der T. P. an der zweiwöchigen Maßnahme "Projekt Vorsprung" der Beklagten teil. Anschließend bewarb sich der Kläger als Dozent bei der Beklagten und absolvierte vereinzelte Probeunterrichte. Unter dem 31.07.2008 schlossen die Parteien einen "Honorarvertrag für freie Mitarbeiter/innen", in dem es unter anderem heißt:
"Beiderseitiges Ziel dieser Vereinbarung ist die Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses. Die Begründung eines Arbeitsvertrages i.S. eines festen Anstellungsverhältnisses ist nicht beabsichtigt. Insbesondere ist es der ausdrücklichen Wunsch von, (sic!) dass das vorliegende Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiterverhältnis praktiziert wird, um auch anderen Tätigkeiten nachgehen zu können.
I. Aufgabengebiet
1.Gegenstand des Vertrages ist die Erteilung von Unterricht.
2.Unterrichtszeiten und -umfang werden gesondert in Absprache mit dem freien Mitarbeiter von der U. Akademie GmbH festgelegt. Eine Unterrichtsstunde umfasst 45 Minuten.
3.Die Unterrichtsinhalte werden von der U. Akademie GmbH vorgegeben. Grundlage hierfür bildet die jeweilige Leistungsbeschreibung (…).
II. Vergütung
1.Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar von 10,- EUR pro tatsächlich erteilter Unterrichtsstunde. In diesem Betrag ist auch die Honorierung für die Vor- und Nachbereitung der Unterrichtsstunden, Korrektur von Klausuren, Führung des Klassenbuches/der Anwesenheitsliste, Ausfüllen von Teilnehmerbewertungsbögen sowie anfallende An- und Abreisezeiten und die Reisekosten sowie ähnliche Kosten enthalten. (...) Das Honorar ist bis zum 5. des nachfolgenden Monats in Rechnung zu stellen....