Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung und Verfall von Urlaubsansprüchen bei krankheitsbedingter Nichtnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar ist der gesetzliche Jahresurlaub befristet. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erlischt der Urlaubsanspruch aber nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Die tarifliche Verfallbarkeit der Urlaubsansprüche wird ebenfalls abgelehnt. Urlaubs und Urlaubsabgeltungsansprüche, die dem von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, können die Parteien des Einzelvertrags frei regeln. Dem einzelvertraglich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht der gesicherten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Gemeinschaftsrecht entgegen.
2. § 7 Abs. 3 BurlG ist auch auf den Urlaub anzuwenden, der aus Krankheitsgründen in Vorjahren (2006 und 2007) wegen Krankheit nicht genommen und ins laufende Kalenderjahr (2008) übertragen wurde.
3. Urlaubsansprüche können nach § 36 BAT-KF verfallen.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3; BAT-KF § 25 (2), § 36
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 13.01.2010; Aktenzeichen 4 Ca 2507/09) |
Tenor
1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.01.2010 – 4 Ca 2507/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2006 und 2007.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1975 bei der Beklagten als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Die Klägerin wurde seit dem 01.01.1999 12 Nächte im Monat eingesetzt. Dies entspricht einer Arbeitszeit von 126 Stunden pro Monat bzw. 75 % einer Vollzeitstelle. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt 1.906,72 EUR.
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages finden die „kirchliche Arbeitsvertragsordnung” in der jeweils gültigen Fassung (BAT/Ang. KAVO) zurzeit vom 22.10.2007 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Vom 15.09.2005 bis zum 01.07.2008 war die Klägerin dauerhaft arbeitsunfähig. Sie legte der Beklagten für ihren Einsatz ab dem 02.07.2008 ein ärztlichen Attest (Bl. 165 d.A.) vom 02.07.2008 vor, wonach u.a. ein Einsatz im Nachtdienst auf chirurgischen und internistischen Stationen vermieden werden sollte.
Die Beklagte bestritt die Arbeitsfähigkeit ab dem 02.07.2008 und setzte die Klägerin nicht ein. Das von der Klägerin eingeleitete arbeitsgerichtliche Verfahren über die Zahlung von Annahmeverzugslohnansprüchen für die Zeit vom 02.07.2008 bis 30.09.2008 endete durch einen gerichtlichen Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (AZ.: 17 Sa 1045/09). Darin verständigten sich die Parteien darüber, dass für die Klägerin vom 01.07.2008 bis zum 26.08.2008 keine Beschäftigungsmöglichkeit bestand und für die Zeit vom 26.08.2008 bis zum 30.09.2008 zum Ausgleich eventueller Ansprüche auf Annahmeverzugslohn ein Betrag von 1.500,00 EUR gezahlt wird (vgl. Protokoll vom 08.12.2009 Bl. 256 d.A.).
Vom 01.10.2008 bis zum 30.11.2008 fand eine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin statt. Zum 01.12.2008 wurde sie unter Abänderung ihres Arbeitsvertrages in die Verwaltung (Archiv) versetzt. Vom 09.12.2008 bis 14.12.2008 war die Klägerin arbeitsunfähig. Seit dem 01.07.2009 arbeitet die Klägerin im sog. Com-Center.
Im Jahre 2008 nahm die Klägerin nicht den ihr für das Jahr zustehenden Urlaub. Er wurde auf das Jahr 2009 übertragen und bis zum 31.03.2009 gewährt.
Mit Schreiben vom 26.01.2009 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. In dem Schreiben heißt es:
„Urlaubsanspruch
Sehr geehrter …,
aus gegebenem Anlass (Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Anlage) teilen Sie mir bitte schriftlich mit, wie viele Tage erworbenen bezahlten Urlaubsanspruch aus welchen Zeiträumen meines Beschäftigungsverhältnisses ich noch habe.
Ferner, welchen Urlaub seit Beginn meiner Archivtätigkeit ich davon verbraucht habe und bis wann ich den noch offenen Urlaub als Urlaub jeweils genommen haben muss.
…”
Am 09.02.2009 fragte die Klägerin den Personalsachbearbeiter der Beklagten Q. in einem Telefongespräch, ob ihr für 2006 und 2007 Urlaub zustände und wie viele Tage dies seien. Herr Q. teilte ihr mit, dass sie keinen Urlaubsanspruch habe. Er lehnte es ab, der Klägerin dies schriftlich zu bestätigen.
Mit Schreiben vom 02.03.2009 begehrte die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Gewährung von 10 Resturlaubstagen aus dem Jahre 2005. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2009 ab. Mit Schreiben vom 14.05., 01.07. und 17.08.2009 begehrte sie weiterhin die Urlaubsabgeltung des Resturlaubs 2005. Die Beklagte lehnte dies mit anwaltlichen Schreiben vom 14.06., 13.07. und 26.08.2009 ab.
Mit Schreiben vom 09.10.2009 begehrte die Klägerin sodann von der Beklagten den ausstehenden Jahresurlaub aus den Jahren 2006 und 2007 s...