Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertrag zwischen Rechtsanwälten. angestellter Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
Die Stellung eines Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) hindert nicht die Eingehung eines weisungsgebundenen Abhängigkeitsverhältnisses und den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem anderen Rechtsanwalt.
Normenkette
BGB § 611; BRAO § 1
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 22.01.2002; Aktenzeichen 1 Ca 3733/01) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 22.01.2002 – 1 Ca 3733/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Streitwert: unverändert (23.008,13 EUR).
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Vertragsverhältnisses sowie über Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate November und Dezember 2001.
Der Beklagte betreibt eine Anwaltskanzlei. Die am 23.06.1969 geborene Klägerin, zurzeit 33 Jahre alt, trat auf der Grundlage eines vom Beklagten am 10.11.2000 unterzeichneten Anstellungsvertrags ab 15.01.2001 als Rechtsanwältin in die Dienste des Beklagten. Vorgesehen war eine Mitarbeit als „angestellte Rechtsanwältin” mit einer näher bezeichneten Wochenstundenzahl, einem Jahresurlaub von 30 Werktagen und einem festen Monatsgehalt zuzüglich einer Umsatzbeteiligung. Für die Zeit bis 31.12.2001 bestand eine Vergütungsgarantie in Höhe von 7.500,00 DM (brutto) pro Monat. Auf die weiteren Einzelheiten des Vertragstextes wird verwiesen.
Ob auch die Klägerin den Vertragstext unterzeichnet hat, ist zwischen den Parteien streitig. Nach ihrer Behauptung hat sie ein von ihr ebenfalls unterzeichnetes Exemplar dem Beklagten bereits im November 2000 zurückgesandt.
Am 29.08.2001 erinnerte der Beklagte die Klägerin an die Unterschriftsleistung, da er keinen unterschriebenen Vertragstext zurückerhalten habe. Die Klägerin lehnte eine Unterzeichnung unter Hinweis darauf ab, dass sie den Vertrag bereits unterzeichnet habe.
Spätestens seit Sommer 2001 bestanden Differenzen zwischen den Parteien, unter anderem über die Arbeitsleistungen der Klägerin. Mit Schreiben vom 14.09.2001 und unter Auflistung zahlreicher Sachverhalte mahnte der Beklagte die Klägerin ab. Mit Schreiben vom 24.09.2001, der Klägerin zugegangen am 25.09.2001, kündigte er das Mitarbeiterverhältnis zum 31.10.2001.
Am 01.10.2001 teilte die Klägerin dem Beklagten laut dessen Vorbringen mit, dass sie möglicherweise schwanger sei. In der Zeit vom 05.10.2001 bis 08.11.2001 war sie arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 11.10.2001, der Klägerin zugegangen am 13.10.2001, sprach der Beklagte „noch einmal die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses zum 31.10.2001 aus.” Die Vergütung erhielt die Klägerin für den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2001.
Unter dem 23.10.2001 attestierte die behandelnde Ärztin der Klägerin, dass sie im dritten Schwangerschaftsmonat sei (Geburt des Kindes zwischenzeitlich am 12.04.2002).
Mit der am 30.10.2001 beim Arbeitsgericht Wesel eingegangenen und dem Beklagten am 07.11.2001 zugestellten Klageschrift, der eine Kopie des Arztattestes vom 23.10.2001 beigefügt war, wendet sich die Klägerin gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigungen. Hierzu hat sie vorgetragen:
Die Kündigungen seien bereits wegen des Kündigungsverbots nach § 9 MuSchG rechtsunwirksam. Auch habe sie dem Beklagten in dem Gespräch am 01.10.2001 nicht nur eine mögliche Schwangerschaft mitgeteilt, sondern definitiv darauf hingewiesen, dass sie schwanger sei. Ebenso wenig könne sich der Beklagte auf eine angebliche Formunwirksamkeit des schriftlichen Anstellungsvertrags berufen, da sie ein Exemplar des Vertrags bereits im November 2000 ebenfalls unterzeichnet und dem Beklagten zurückgesandt habe. Bis Ende August 2001 habe der Beklagte auch niemals das Fehlen eines von ihr unterzeichneten Vertragsexemplars gerügt, sondern erstmals am 29.08.2001. Zu einer nochmaligen Unterzeichnung am 29.08.2001 sei sie aus ihr zwischenzeitlich bekannt gewordenen Haftungsrisiken nicht bereit gewesen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24.09.2001 noch durch die Kündigung vom 11.10.2001 aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10.2001 hinaus fortbesteht;
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin
- 7.500,00 DM = 3.834,69 EUR (November 2001) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.12.2001
- weitere 7.500,00 DM = 3.834,69 EUR (Dezember 2001) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.01.2002
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat unter anderem vorgetragen: Es liege bereits kein formwirksam abgeschlossener Vertrag vor, da der Anstellungsvertrag trotz vorgesehener Schriftform von der Klägerin nicht unterzeichnet worden sei. Er sei monatelang be...