Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Schmerzensgeldklage wegen Arbeitsplatzschikane bei unsubstantiierten Darlegungen zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch "Mobbing" in Form von Weisungen und einer außerordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Begriff "Mobbing" gibt es keine einheitliche Begriffsbestimmung; "Mobbing" wird umschrieben "als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte" oder "fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweise, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen".
2. Bei der Beurteilung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Auseinandersetzungen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, die mit "Mobbing" bezeichneten rechtliche Tatbestände zu erfüllen, und insoweit folgenloses oder sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise und damit ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden der betroffenen Beschäftigten von der rechtlichen Bewertung auszunehmen sind.
3. Nach allgemeinen Grundsätzen ist die klagende Partei für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig und hat im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen sie die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen, da nur auf dieser Grundlage Tatsachengerichte prüfen können, ob die behaupteten Vorgänge für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau zu einer Rechtsbeeinträchtigung geführt haben, und gegebenenfalls über jeden rechtlich erheblichen Vorgang Beweis erheben.
4. Weisungen der Arbeitgeberin, die sich im rechtlich erlaubten Rahmen bewegen und denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, stellen nur in seltenen Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar; das gilt auch für das Weisungsrecht überschreitende Weisungen, denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen der Arbeitgeberin zugrunde liegen.
5. Nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar; liegen Krankheitszeiten vor oder bestehen Auseinandersetzungen über die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerin, ist es nicht unangemessen sondern naheliegend und erforderlich, die Arbeits- und Einsatzfähigkeit auch medizinisch überprüfen zu lassen.
6. Allein durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung verletzt die Arbeitgeberin nicht ihre Pflicht zur Rücksichtnahme; die im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen.
7. Eine nicht mehr sozial adäquate Maßnahme stellt eine Kündigung nur dann dar, wenn sie die Arbeitnehmerin über den bloßen Kündigungsausspruch hinaus in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und dies von der Arbeitgeberin auch so gewollt ist; Umstände, die eine solche Schlussfolgerung zulassen, sind im Streitfall von der Arbeitnehmerin im Einzelnen darzulegen.
8. Hat die Kündigungsschutzklage Erfolg und liegt dem rechtswidrigen Handeln der Arbeitgeberin eine sachlich nachvollziehbare Erwägung zugrunde, scheidet eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts aus; auch bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung handelt es sich in der Regel um im Arbeitsleben normale Konflikte, die unter Zuhilfenahme der Arbeitsgerichte geklärt werden, auch wenn sich nachher die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme herausstellt.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, §§ 278, 280 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1, § 823 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 1-2, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Entscheidung vom 03.02.2012; Aktenzeichen 3 Ca 1050/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 03.02.2012 - 3 Ca 1050/10 - wird kostenpflichtig zu-
rückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Mobbing sowie über eine Vergütung der Klägerin nach Entgeltgruppe E 13, Stufe 6 TVöD (Unterschiedsbetrag: EUR 699,45).
Die am 30.06.1960 geborene Klägerin ist Diplom-Ökonomin und seit dem 01.07.1995 für die Beklagte tätig. In der Zeit vom 01.07.1995 bis 31.10.1997 wurde sie als betriebswirtschaftliche Kostenrechnerin für die Städtischen Kliniken der Beklagten eingesetzt. Zum 01.11.1997 wechselte die Klägerin vom Klinikum zum Revisionsdienst der Beklagten als vom Rat bestellte betriebswirtschaftliche Prüferin. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD (VKA) Anwendung. Die Klägerin erhält eine Vergütung nach Gehaltsstufe E 11 TVöD.
Die...