Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit Abmahnung. Übermaßverbot. Auslegung Tarifvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Abmahnung ist hinreichend bestimmt, wenn der Abgemahnte erkennen kann, wie er sein Verhalten zukünftig ausrichten muss.
2. Zu entfernen ist eine Abmahnung dann, wenn sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere das Übermaßverbot verstößt. Das ist der Fall, wenn einer eher geringfügigen Pflichtverletzung schwerwiegende Rechtsfolgen gegenüberstehen.
3. Bei der Auslegung tarifvertraglicher Regelungen kommt es zuerst auf den Wortlaut an, dann den Sinn, weiterhin auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und letztendlich auf den tariflichen Gesamtzusammenhang.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.08.2018; Aktenzeichen 4 Ca 3038/18) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.08.2018 - 4 Ca 3038/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Abmahnung.
Der Kläger ist bei der Beklagten langjährig als Redakteur für die Zeitschrift "X. Woche" beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften idF vom 04.11.2011 Anwendung (iF: MTV), wie zweitinstanzlich feststeht kraft beiderseitiger Tarifbindung. Darin heißt es:
§ 13
Nebentätigkeit
1.Die/der Redakteurin/Redakteur darf eine Nebentätigkeit nur ausüben, wenn sie den berechtigten Interessen des Verlages nicht abträglich ist.
2.Eine journalistische oder redaktionelle oder schriftstellerische oder sonstige publizistische Nebentätigkeit ist, abgesehen von gelegentlichen Einzelfällen, dem Verlag unverzüglich mitzuteilen. Die regelmäßige Ausübung einer solchen Nebentätigkeit bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verlages.
3.Die/der Redakteurin/Redakteur bedarf zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihr/ihm bei ihrer/seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachrichten und Unterlagen der schriftlichen Einwilligung des Verlages.
In Ziff. 10 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 05.01.1987 (vgl. Bl. 6 ff. GA) findet sich eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung, die anstelle der Einwilligung des Verlags (so § 13 Ziff. 3 MTV) die Einwilligung der Chefredaktion vorsieht (Ziff. 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags).
Der Kläger unternahm in der Zeit vom 11. bis 19. September 2017 für die Beklagte eine Dienstreise in die USA, um über die Eröffnung der Fabrik eines deutschen Unternehmens in J. zu berichten. Dort nahm er an einem Firmenevent teil, über das er anschließend einen Bericht verfasste. Diesen versandte er vorab an die Online-Redaktion der X. Woche.
Bestandteil des Berichts war auch eine Schilderung des Klägers über den Verlauf eines Gespräches mit der ausrichtenden Unternehmerin am abendlichen Büffet. Seinen Verzicht etwas zu essen habe der Kläger dieser gegenüber damit begründet, dass er "zu viel Speck überm Gürtel" habe. Diese Aussage habe die Unternehmerin dadurch "überprüft", dass sie ihm kräftig in die Hüfte gekniffen habe.
Die Online-Redakteure strichen die entsprechende Textpassage mit Billigung des Chefredakteurs. Der Bericht wurde ohne diese veröffentlicht.
Nach Rückkehr von seiner Dienstreise bat der Kläger den Chefredakteur, doch einmal zu überlegen, den Vorfall in der X. Woche zu veröffentlichen. Der Chefredakteur lehnte dies ab.
Anfang Dezember 2017 fragte der Kläger erneut beim Chefredakteur an, ob man hierüber nicht doch im Rahmen der sog. "#MeToo"- Debatte etwas veröffentlichen wolle. Der Vorfall zeige seiner Meinung nach, dass Übergriffigkeit nicht ausschließlich geschlechtsbezogen, sondern auch aus einem Machtgefälle erklärt werden könne. Der Chefredakteur lehnte dies erneut ab. Der Kläger kündigte sodann an, den Beitrag anderweitig zu veröffentlichen, worauf der Chefredakteur entgegnete, dass dem das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag entgegenstehe; der Kläger möge Rücksprache beim Leiter Personal und Recht nehmen.
Am 07.03.2018 wurde in der "U. zeitung" ("u.") ein Beitrag des Klägers unter seinem Namen mit dem Titel "Ran an den Speck" veröffentlicht (vgl. Bl. 11 GA).
Eine Einwilligung der Beklagten hatte der Kläger zuvor nicht eingeholt.
In dem Artikel heißt es auszugsweise wie folgt:
"......
Was ist konkret passiert? Im vergangenen Herbst nehme ich auf Einladung an der Eröffnung des neuen Standorts eines großen deutschen Unternehmens teil. ......
.....
Nun also geht es ums Essen. Ich fühle mich angesprochen und antworte mit einem "Nein Danke": Alles sehr lecker, aber man muss ja mal aufhören. Die Unternehmerin mustert mich von der Seite und entgegnet, ich hätte es doch nicht nötig, Diät zu halten. Das nicht, erwidere ich, verweise aber - verbal - auf zu viel Speck überm Gürtel. Daraufhin greift die Chefin über Milliardenumsatz, Tausende Mitarbeiter und Gesprächspartnerin politischer T...