Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschlagung einer Fundsache als wichtiger Kündigungsgrund. Verdachtskündigung bei großer Wahrscheinlichkeit einer Straftat. Vermögensdelikte im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, auch gegen Dritte, als wichtiger Grund für fristlose Kündigung. Ausreichende Kenntnis für Beginn der Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verdacht der Unterschlagung einer Fundsache - hier ein 100 Euro-Schein - kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
2. Für eine Verdachtskündigung müssen konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine Straftat begründen und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber erschüttern.
Normenkette
BGB §§ 626, 241 Abs. 2; LPVG NW § 74 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.09.2018; Aktenzeichen 12 Ca 5121/18) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.09.2018 - AZ: 12 Ca 5121/18 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der am 06.06.1983 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 19.01.1987 bei dem beklagten Land beschäftigt. Sein monatliches Entgelt betrug zuletzt ca. 2.600,- € brutto. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der TV-L Anwendung.
Der Kläger war zunächst im Werkstattbereich tätig. Seit November 2015 wurde er aus gesundheitlichen Gründen auf der Stelle des Pförtners einer Polizeidienststelle der Liegenschaft "L.-S.-Str. 180" in E. eingesetzt. Dieses Gebäude wird von verschiedenen Organisationseinheiten des Polizeipräsidiums genutzt. Es handelt sich nicht um eine Polizeiwache.
Am Vormittag des 22.12.2017 suchte die Zeugin B. M. das obige Gebäude auf. Sie wandte sich an den Kläger, der an der Pforte seinen Dienst ausübte, und teilte ihm mit, sie wolle einen 100,- €-Schein abgeben, den sie gefunden habe. Ob der Kläger sodann den Schein entgegengenommen hat, steht zwischen den Parteien im Streit. Der Geldschein ist weder bei der dafür zuständigen Stelle in der ersten Etage des Dienstgebäudes "L.-S.-Str. 180" noch anderweitig bei der Polizeidienststelle hinterlegt worden.
Noch am selben Tag wandte sich die Zeugin M. um 12.52 Uhr mit folgender E-Mail an eine Poststelle der Düsseldorfer Polizei:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe heute Vormittag auf dem Vorplatz der ehemaligen WestLB Friedrichstraße/Ecke Herzogstraße einen 100 € - Schein gefunden.
Den habe ich dann an der Pforte der Polizeistelle in der I. straße abgegeben. Der Herr an der Pforte sagte mir dann, dass er diesen Schein nach oben bringen würde. Auf meine Nachfrage, ob ich Angaben zum Fundort oder meinen Personalien machen sollte, meinte er, das wäre nicht nötig.
Nachdem ich diesen Vorgang meinem Mann erzählte, der vor geraumer Zeit eine Uhr gefunden und bei der Polizei abgegeben hatte, kam uns das Verhalten komisch vor. Er sagte, dass er bei der Uhr (die wohl nicht wertvoll war) genaue Angaben zum Fundort und seiner Person machen musste.
Was passiert jetzt mit dem 100 €-Schein. Es ist schon seltsam, dass keinerlei Frage nach dem Wo und Wann gestellt wurden. Ich würde schon gerne wissen, was nun mit dem Geld passiert, da ja nun mit Sicherheit kein Besitzer mehr ausfindig gemacht werden kann.
..."
Der Sachverhalt wurde durch das Beschwerdemanagement des Polizeipräsidiums Düsseldorf an das zuständige Kriminalkommissariat weitergegeben. Dieses leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des strafrechtlichen Verdachts der Unterschlagung ein. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde die Zeugin M. am 08.05.2018 polizeilich vernommen. Im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage mit acht Fotos identifizierte sie die Fotografie des Klägers und erklärte, sie sei sich zu 80% sicher, dass es sich um die Person handle, die den 100 € - Schein entgegengenommen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 2, Bl. 252 - 253 d.A., Bezug genommen. Nach der Vernehmung der Zeugin übersandte das Kriminalkommissariat den Vorgang zur Einsichtnahme an die Personalabteilung des Polizeipräsidiums. Mit Schreiben vom 11.05.2018 (Bl. 37 f. d.A.) hörte das beklagte Land den Kläger unter Fristsetzung bis zum 18.05.2018 zu dem Verdacht an, er habe den 100 € - Schein an sich genommen und nicht als Fundsache weitergeleitet. Der Kläger äußerte sich mit anwaltlichem Schreiben vom 14.05.2018, beim beklagten Land eingegangen am 16.05.2018, dahingehend, dass er eine derartige Tat mit aller Entschiedenheit bestreite. Weitere Angaben zur Sache machte er nicht.
Mit einem laut Eingangsstempel am 22.05.2018 eingegangenen Schreiben vom 18.05.2018 wurde der Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung angehört (Bl. 43 - 48 d.A.). Der Personalrat bat zunächst mit Schreiben vom 23.05.2018 darum, die Kündigung nicht auszusprechen, bevor der Rechtsbeistand des Klägers d...