Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatz von Urlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit. Gleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber muss bei Anmeldung seiner Arbeitnehmer zur Kurzarbeit den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Erteilt die Arbeitsagentur gemäß § 170 Abs. 4 SGB III die Auflage, vorrangig unverplante Resturlaubsansprüche der Arbeitnehmer einzubringen, erweitern sich nicht die arbeitsrechtlichen Gestaltungsbefugnisse zur Gewährung von Urlaub.
2. Es ist deshalb nur rechtlich zulässig zu veranlassen, jenes Maß an Urlaub einzusetzen, dass auch kollektiv, d.h. bei fast allen Arbeitnehmern noch frei vorhanden ist. Zwischen Arbeitnehmern mit zufällig noch vorhandenen Resturlaubsansprüchen (keine Anmeldung zur Kurzarbeit, sondern Anordnung von Urlaub) und solchen ohne (Anmeldung zur Kurzarbeit) zu differenzieren, stellt eine sachfremde Gruppenbildung dar.
Normenkette
SGB III § 170 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 28.11.2006; Aktenzeichen 1 Ca 427/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. November 2006 – 1 Ca 427/06 – teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:
Die Beklagte wird verpflichtet, das Bord- und Landtagekonto des Klägers dahingehend zu korrigieren, dass für den Zeitraum der Kurzarbeit auf MS R. (06.02.2006 – 25.02.2006) 6,5 Tage vom Borddienstkonto und 6,5 Tage vom Urlaubs-/Verfügungstagekonto abgerechnet werden.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.
Die Revision für den Kläger wird nicht zugelassen. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Korrektur seines Bord- und Landtagekontos in der Zeit vom 6. bis zum 25. Februar 2006.
Der Kläger ist bei der Beklagten auf dem Fährschiff MS „R.” beschäftigt. Der MTV-See – mit der für die Beklagte geltenden Anlage 2 – ist zwischen den Parteien einzelvertraglich vereinbart. Der Kläger bezieht eine monatliche Bruttoheuer von zuletzt EUR 3.924,00. Der Kläger hatte per 1. Januar 2006 noch ein Guthaben von 34 Tagen/Land (Anlage B 1, Bl. 14 d.A.) aufgrund von im Jahre 2005 17 zuviel geleisteten Bordtagen. Die Beklagte verwendet zur Verwaltung der Arbeitszeiten das Zeiterfassungsprogramm Taris, die solche aus dem Vorjahr vorgetragenen Tage mit dem Kürzel „zF” – zusätzlich frei – benennt (Anl. B 5, Bl. 84 d.A.). Zur Einsatz- und Urlaubsplanung besteht eine schriftliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Beklagter vom 22. Februar 1996 (Anl. B 4, Bl. 83 d.A.).
Mit dem Betriebsrat schloss die Beklagte am 1. Februar 2006 eine Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (Bl. 4 ff d.A.) Bezug genommen. Die Anlage K 1 regelt die Kurzarbeit betreffend das Fährschiff MS „N.”; hinsichtlich der Kurzarbeit auf dem Fährschiff MS „R.” wurde eine identische Vereinbarung getroffen.
In § 3 Abs. 2 der vorgenannten Betriebsvereinbarung heißt es wie folgt:
„Wird durch ein Versäumnis der T. kein Kurzarbeitergeld gezahlt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben wären, verpflichtet sich die T. zur Zahlung eines Nettobetrages in Höhe des Kurzarbeitergeldes zuzüglich der Zahlungen nach Abs. 1.”
Im Anhang zur Betriebsvereinbarung wurde u.a. Folgendes vereinbart:
„1. Den Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden, wird für den Zeitraum der Kurzarbeit die Hälfte der Kurzarbeitszeittage von den 182,63 Tagen Borddienst, die andere Hälfte von den 182,63 Tagen Urlaubs-/ Verfügungstagekonto abgerechnet. Somit wird sich für das verbleibende Restjahr das Bord- und Landtagekonto entsprechend der Kurzarbeitertage reduzieren. …”
Unter dem 18. Januar 2006 wurde ein mit dem Betriebsrat abgestimmter Einsatzplan für die Besatzungsmitglieder der MS R. erstellt, der eine erforderlich gewordene Werftliegezeit in der Zeit vom 6. bis zum 25. Februar 2006 mit Kurzarbeit berücksichtigte (Anl. B 6, Bl. 85 f d.A.).
Unter dem 24. Februar 2006 gewährte die Agentur für Arbeit Lübeck Kurzarbeitergeld und machte der Beklagten folgende Auflage (Anlage B 2, Bl. 15 d.A.):
„Es ist von ihnen zu veranlassen, dass von den Arbeitnehmern, die noch über unverplante (Rest-) Urlaubsansprüche verfügen, diese Ansprüche zur Vermeidung bzw. Verminderung der Kurzarbeit bis auf einen Bestand von fünf Urlaubtagen eingebracht werden.”
Unter dem 8. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie aufgrund einer Auflage der Agentur für Arbeit zu veranlassen habe, dass von den Arbeitnehmern, die nur über unverplante (Rest-) Urlaubstage verfügen, diese Ansprüche zur Vermeidung bzw. Verminderung der Kurzarbeit bis auf einen Bestand von fünf Urlaubtagen eingebracht werden müssen (vgl. Anlage K 2, Bl. 7 d.A.). Die Beklagte zog im Februar 2006 vom Urlaubs- und Verfügungstagekonto des Klägers 18 Urlaubstage ab und berief sich auf die Auflage der Agentur für Arbeit Lübeck vom 24. Februar 2006. Am 15. Februar 2006 hat der Kläger Betriebsra...