Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang eines gekündigten Wahlbewerbers zum Betrieb. Wählbarkeit eines gekündigten Wahlbewerbers
Leitsatz (amtlich)
Ein gekündigter Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt ist und der nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhoben hat, bleibt trotz fehlender aktiver Wahlberechtigung gleichwohl zum Betriebsrat wählbar.
Er ist berechtigt, zum Zwecke der Wahlwerbung den Betrieb zumindest zeitweise zu betreten.
Normenkette
BetrVG §§ 7-8, 20; ArbGG § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Beschluss vom 17.04.2002; Aktenzeichen 1 (8) BVGa 14/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.04.2002 – 1 (8) BVGa 14/02 – abgeändert.
Unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird dem Arbeitgeber aufgegeben, den Zugang des Antragstellers zum Betrieb des Arbeitgebers in D1xxxxxx, B1xxxxxxx H3xxxxx 32x – 33x, zum Zwecke der Wahlwerbung bis zu den Betriebsratswahlen am 16.05.2002 in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 13.30 Uhr für eine Gesamtdauer von maximal zwei Stunden zu dulden.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die genannte Verpflichtung wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter, angedroht.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über den Zugang des Antragstellers zum Betrieb des Arbeitgebers, der Antragsgegnerin, zum Zwecke der Wahlwerbung.
Seit dem 01.07.1974 ist der Antragsteller als kaufmännischer Angestellter im Betrieb des Arbeitgebers bzw. dessen Rechtsvorgänger zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.200,00 EUR tätig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten wurde durch den Arbeitgeber am 08.08.2001 zum 28.02.2002 gekündigt. Hiergegen erhob der Antragsteller Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht – 1 Ca 5511/01 ArbG Dortmund –, über die noch nicht entschieden ist. Am 27.02.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller fristlos, unter anderem wegen angeblich unzutreffender Behauptungen in einem im Betrieb des Arbeitgebers erscheinenden Magazins für Arbeitnehmer. Gleichzeitig wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 27.02.2002 (Bl. 6 d.A.) mit sofortiger Wirkung Hausverbot erteilt. Auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.02.2002 erhob der Antragsteller Kündigungsschutzklage – 1 Ca 1542/02 ArbG Dortmund –, über die noch nicht entschieden ist. Kammertermin in beiden Kündigungsrechtsstreitigkeiten steht beim Arbeitsgericht am 21.06.2002 an.
Im Betrieb des Arbeitgebers finden derzeit Betriebsratswahlen statt, ein Wahlvorstand wurde bestellt. Am 03.04.2992 wurde das Wahlausschreiben vom 02.04.2002 betriebsöffentlich ausgehängt (Bl. 9 d.A.). Danach finden die Betriebsratswahlen am 16.05.2002 statt.
Am 05.04.2002 stellte der Antragsteller, der nach dem 28.02.2002 nicht mehr im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt worden war, fest, dass er nicht in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 verzeichnet war. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 05.04.2002 (Bl. 58 d.A.) und mit Schreiben vom 10.04.2002 Einspruch ein. Dieser Einspruch wurde daraufhin mit Schreiben des Wahlvorstandes vom 10.04.2002 (Bl. 11 d.A. 10 TaBV 54/02 LAG Hamm), beim Antragsteller eingegangen am 12.04.2002, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller sei weder wählbar noch wahlberechtigt.
Mit dem am 17.04.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund – machte der Antragsteller daraufhin seine Aufnahme in die Wählerliste geltend.
Bereits am 08.04.2002 wurde beim Wahlvorstand unter dem Kennwort „A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team)” eine Wahlvorschlagsliste eingereicht. Auf dieser Wahlvorschlagsliste (Bl. 59 d.A.) war der Antragsteller unter Nr. 1 als Listenführer aufgeführt. Dieser Wahlvorschlagsliste waren 90 Stützunterschriften (Bl. 60 ff. d.A.) beigefügt. Mit Schreiben vom 10.04.2002 (Bl. 63 d.A.) lehnte der Wahlvorstand diese Wahlvorschlagsliste mit der Begründung ab, dass die Vorschlagsliste die Stützunterschrift eines nicht Wahlberechtigten, nämlich des Antragstellers, enthalte und der Antragsteller nicht wählbar sei.
Daraufhin wurde eine neue Wahlvorschlagsliste mit 45 Stützunterschriften (Bl. 64 ff. d.A.) erstellt, die den gerügten Mangel nicht mehr enthielt. Diese neue Vorschlagsliste wurde dem Wahlvorstand am 15.04.2002 überreicht.
Da der Wahlvorstand eine Stellungnahme zu der neu vorgelegten Wahlvorschlagsliste nicht abgab, machte der Antragsteller am 17.04.2002 im Wege der einstweiligen Verfügung auch die Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) für die Betriebsratswahl am 16.05.2002 geltend – 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund –.
Wegen der beabsichtigten Kandidatur zur Betriebsratswahl hatte der Antragsteller bereits am 04.04.2002 beim Arbeitsgericht das vorliegende Verfahren eingeleitet und im Wege der einstweil...