Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung. Einstellung. Kündigung. Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Urteil durch das Berufungsgericht erfolgt ausschließlich nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 719 Abs. 1 ZPO. Das gilt auch für den Fall, dass der Arbeitgeber zusammen mit einer Stattgabe der Kündigungsschutzklage zur Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung verurteilt wird und danach eine erneute Kündigung ausspricht.

2. § 769 ZPO findet auch dann keine Anwendung, wenn der Einwand gegen den im arbeitsgerichtlichen Urteil festgestellten Anspruch erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden ist und der Schuldner uneingeschränkt Berufung einlegt, so dass eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO unzulässig ist (gegen LAG Sachsen-Anhalt, 25. September 2002, 8 Sa 344/02, AuA 2003, S. 49)

 

Normenkette

ArbGG § 62 Abs. 1 S. 3; ZPO §§ 719, 769

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen 7 Ca 2077/08)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten vom 27. Oktober 2008 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26. August 2008 (7 Ca 2077/08) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antrag der Beklagten ist nicht begründet.

1. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Urteil ist durch das Berufungsgericht nach § 62 Absatz 1 Satz 3 ArbGG, § 719 Abs. 1 ZPO nur ausnahmsweise zulässig: Der Schuldner muss glaubhaft machen, dass ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ein unersetzlicher Nachteil im Sinne der genannten Vorschrift wiegt schwerer als lediglich ein schwer zu ersetzender Nachteil, wie ein Vergleich der verschiedenen Begriffe in § 707 Absatz 1 Satz 2, § 719 Absatz 2 Satz 1 ZPO einerseits und § 710 ZPO andererseits ergibt. Nicht zu ersetzen ist ein Nachteil nach herrschender Auffassung, wenn die Wirkung der Vollstreckung nachträglich nicht wieder beseitigt oder ausgeglichen werden kann.

a) Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ist im Falle der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung nur dann möglich, wenn durch die Beschäftigung selbst ein unersetzbarer Nachteil wirtschaftlicher oder immaterieller Art eintreten würde, für den aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ersatz von dem Arbeitnehmer nicht erlangt werden könnte. Dafür reicht die fehlende Möglichkeit einer Rückabwicklung allein nicht aus (vgl. BAG GS, 27. Februar 1985, GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Der Wegfall des Arbeitsplatzes, auf dem der Arbeitnehmer bisher beschäftigt war, kann nur dann ein unersetzbarer Nachteil sein, wenn der Arbeitgeber keinerlei vergleichbare Beschäftigungsmöglichkeit schaffen kann. Die Umstände des Einzelfalles sind hier von besonderer Bedeutung (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Auflage, § 62 Rn. 22).

b) Die Beklagte hat die vorstehenden Voraussetzungen für die Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteils nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Sie beruft sich zur Begründung ihres Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung letztlich nur auf den der Kündigung vom 31. März 2008 zugrunde liegenden Kündigungsgrund. Diesen hat das Arbeitsgericht für nicht ausreichend dargelegt erachtet, weil zum einen das Vorliegen eine Organisationsentscheidung bezüglich der Verteilung der vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten zum Zeitpunkt der Kündigung fraglich sei, so dass keine hinreichend sichere Prognose für einen Wegfall seiner Tätigkeit bei Ablauf der Kündigungsfrist bestehe. Zum anderen ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass die übrigen Arbeitnehmer die Arbeit des Klägers ohne eine überobligationsmäßige Belastung übernehmen könnten. Die Beklagte behauptet zwar nunmehr darüber hinausgehend, dass die unternehmerische Entscheidung von Ende März 2008 tatsächlich worden umgesetzt sei. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um einen Wegfall jeglicher Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger im Unternehmen der Beklagten glaubhaft zu machen, insbesondere im Hinblick auf den zuletzt genannten Aspekt überobligationsmäßiger Belastung anderer Mitarbeiter, die durch eine Umsetzung weiterhin bestehen kann. Die Beklagte kann, wie der Kläger zu Recht rügt, ihm seine bisherigen Aufgaben wieder übertragen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Neuverteilung der Aufgaben nur im Wege der Änderungskündigung gegenüber den übrigen Mitarbeitern rückgängig gemacht werden kann.

Ob die Einstellung der Zwangsvollstreckung schon deswegen nicht erfolgen kann, weil die Beklagte es versäumt hat, vor Erlass des Urteils den Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu beantragen (so LAG Berlin-Brandenburg, 23. August 2007, 515 Sa 1630/07, NZARR 2008, S. 42; a. A. LAG Baden-Württemberg, 26. August 2008, 5 Sa 52/08, ArbuR 2008, S. 363), bedarf hier keiner Entscheidung.

2. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung folgt auch nicht aus einer analogen Anw...

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