Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Internetnutzung während der Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
2. Die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit, kann einen wichtigen Kündigungsgrund „an sich” darstellen und zwar nicht nur, wenn ein arbeitgeberseitig ausgesprochenes ausdrückliches Verbot oder eine einschlägige Abmahnung vorliegt, sondern auch wegen Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung während des „Surfens” im Internet zu privaten Zwecken und wegen Herunterladens erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Download).
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 10.10.2006; Aktenzeichen 4 Ca 1716/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10.10.2006 – 4 Ca 1716/06 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.06.2006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.12.2006 fortbestanden hat.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den Kündigungszeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum 31.12.2006 weiter zu beschäftigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert beträgt 19.000,00 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung und um Weiterbeschäftigung.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 06.11.1989 als Logistiker zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.800,00 EUR beschäftigt. Er ist am 21.01.12xx geboren, geschieden und hat ein Kind. Dem Kläger steht als SAP-Koordinator ein Computer mit Internetzugang zur Verfügung, den er zur Pflege der SAP-Daten benötigte. Die sog. User-ID des Klägers lautete „wintuw2”. Bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, ist ein Betriebsrat gewählt.
Bei der Beklagten gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 über die Einführung, den Betrieb und die Nutzung des elektronischen Postverkehrs (E-Mail-Nutzung) und des Mediums Internet. In dieser Gesamtbetriebsvereinbarung heißt es u.a.:
”6.2 Private Nutzung
Während der Pausen ist die Nutzung des Internets von den berechtigten Mitarbeitern bis auf weiteres auch zu privaten Zwecken zulässig; die Geschäftsführung behält sich vor, die Erlaubnis insgesamt oder bezogen auf einzelne Mitarbeiter zu widerrufen.
6.3 Verbotene Inhalte
Jegliche Nutzung des Internets, die geeignet erscheint, den Interessen oder dem Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu schaden, ist unzulässig.
Hierzu gehört insbesondere
- • das Abrufen oder Anbieten von Inhalten, die gegen geltende Gesetze oder Verordnungen, insbesondere urheber- und strafrechtliche Art verstoßen,
- • das bewusste Abrufen oder Anbieten weltanschaulicher, politischer oder kommerzieller Werbung,
- • das Abrufen oder Anbieten von Material mit beleidigendem, verleumderischen, rassistischem, verfassungsfeindlichem, pornographischen oder sexistischem Inhalt.
Es ist ferner generell nicht gestattet, ohne vorherige Abstimmung mit der Geschäftsführung Informationen jeglicher Art über das Unternehmen H2xxx einschließlich verbundener Unternehmen in das Internet zu stellen.
7. …
7.1 …
7.2 Protokollierungen
Sowohl die ein- und ausgehenden elektronischen Nachrichten (E-Mails), als auch jeder Datenverkehr innerhalb des lokalen Netz und zwischen dem lokalen Netz und dem Internet wird zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebes protokolliert. Bezüglich der E-Mails erfolgt insoweit keine inhaltliche Aufzeichnung; es werden nur Servernamen, E-Mail-Adressen sowie Versende- bzw. Empfangszeitpunkt der E-Mails festgehalten. Die Protokollierung erfolgt für einen Zeitraum von 3 Monaten; die Protokolldaten werden nach Ablauf von 3 Monaten unverzüglich gelöscht.
Die Protokollierung erfolgt ausschließlich zu dem Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes sowie zur Überprüfung der Einhaltung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung in begründeten Verdachtsfällen.
Eine arbeitgeberseitige Überprüfung erfolgt im Falle eines konkreten Verdachts nur dann, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Mitarbeiter gegen datenschutz- bzw. strafrechtliche Bestimmungen oder gegen Bestimmungen dieser Gesamtbetriebsverein...