Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Klage eines Berufskraftfahrers auf Erstattung der im Strafverfahren angefallenen Gerichtskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Prozeßkostenhilfe: Zu der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage eines wegen fahrlässiger Tötung verurteilten Berufskraftfahrers auf Erstattung der im Strafverfahren angefallenen Gerichtskosten.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt vor, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht, wobei die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dient, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.

2. Der Verkehrsunfall eines Berufskraftfahrers, selbst wenn er von ihm verschuldet ist, beruht kausal auf der dem Fahrer übertragenen und damit betrieblich veranlassten Tätigkeit, so dass die Kosten eines Strafverfahrens, das aufgrund eines fahrlässigen (Verkehrs-)delikts entstehen, nicht von vorneherein als erstattungsfähige Aufwendungen ausscheiden.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 670; ZPO § 114 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 11.04.2013; Aktenzeichen 3 Ca 9312/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der

die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende

Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.04.2013 -

3 Ca 9312/12 - abgeändert.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug

derzeit ratenfreie Prozesskostenhilfe unter

Beiordnung von Rechtsanwalt Ackermann zu

den Bedingungen eines bezirksansässigen

Rechtsanwalts bewilligt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Am 29.11.2010 verursachte der Kläger mit seinem Sattelzug auf schneeglatter Fahrbahn einen Verkehrsunfall, bei dem eine Person getötet und zwei weitere Personen schwer verletzt wurden.

Wegen dieses Vorfalls wurde der Kläger durch das Amtsgericht Bad Schwalbach am 07.09.2011 wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich wurden dem Kläger gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Das rechtskräftige Urteil enthält die Feststellung, dass der Kläger vor einer Kurve auf der Bundesstraße 54 im Taunus mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h in eine Kurve gefahren sei, wobei die theoretische Kurvengrenzgeschwindigkeit bei der glatten Fahrbahn und angesichts eines Gefälles von knapp 2% zwischen 24 und 30 km/h betragen habe. Aufgrund er überhöhten Geschwindigkeit des Klägers sei der Sattelzug auf die Gegenfahrbahn gerutscht und mit einem entgegen kommenden Fahrzeug kollidiert.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der in dem Strafverfahren angefallenen Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 10.242,04 €. Die Gerichtskosten setzen sich zusammen aus der Gebühr für die 1. Instanz, der Sachverständigen-Entschädigung, den Abschlepp-/Unterstellkosten, den Blutuntersuchungskosten, den Auslagen für die Beförderung oder Verwahrung von Leichen, den Auslagen für Zustellungen, der Zeugenentschädigung und der Sachverständigenvergütung.

Das Arbeitsgericht hat die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 11.04.2013 mit der Begründung abgelehnt, dass die Kosten eines Strafverfahrens nicht zu den ersatzfähigen Aufwendungen i. S. d. § 670 BGB gehörten, da sie nicht dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen seien.

Der Beschluss ist dem Kläger am 16.04.2013 zugestellt worden. Seine hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist am 16.05.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Mit Beschluss vom 20.05.2013 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde ist auch begründet.

1.) Die nach § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht kann der Klage nicht abgesprochen werden.

a) Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt vor, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht ( BAG 26.01.2006 - 9 AZA 11/05 -, [...]). Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahrenskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den das Rechtsstaatsprinzip erfordert, nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen (BGH 08.05.2013 - XII ZB 624/12 -, [...]). "Hinreichende" Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO bedeutet daher nicht "überwiegende" Erfolgsaussicht und schon gar nicht, dass der PKH-Antragsteller in jeder Hinsicht dieselben Rechtsauffassungen vertreten muss, wie der Spruchkörper, der zur Entscheidung des Falles berufen ist. Hinreichend...

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