Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Versäumung der arbeitsvertraglich vereinbarten qualifizierten Schriftform bei der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Wirksamkeit einer Ausschlussklausel
Leitsatz (redaktionell)
1. Die arbeitsvertraglich vereinbarte qualifizierte Schriftform ist nicht eingehalten, wenn die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwar schriftlich erklärt, die Kündigungsgründe jedoch nur mündlich eröffnet werden.
2. Die vertragliche Vereinbarung einer mehrstufigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung jeglicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist wegen Verstoßes gegen §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB nichtig, da sie auch Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung umfasst.
Normenkette
BGB §§ 611, 125 S. 2, § 126
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 12.11.2020; Aktenzeichen 5 Ca 2592/18) |
Tenor
- Die Berufung beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 12.11.2020 - 5 Ca 2592/18 - werden zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägen die Klägerin zu 2/10 und die Beklagte zu 8/10.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit berufungsrelevant - über die Wirksamkeit der außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 22.10. und 05.11.2018 sowie über im Wege der Widerklage von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzansprüche.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 12.11.2020 - 5 Ca 2592/188 - Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen vom 22.10. und 05.11.2018 festgestellt und die widerklagegemäß geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Beklagten abgewiesen. Ebenso abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Feststellung der Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 22.10. und 05.11.2018. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 574 ff. d. A.) Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 21.12.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2021 Berufung eingelegt und diese am 16.02.2021begründet. Die Beklagte, der das Urteil ebenfalls am 21.12.2020 zugestellt worden ist, hat am 21.01.2021 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.03.2021 am 22.03.2021 begründet.
Die Klägerin wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Arbeitsgericht habe bei der Zuordnung der von der Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründe verkannt, dass die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.10.2018 von der Beklagten mit dem Sachverhalt um das angeblich von der Klägerin entwendete Smartphone des beklagten Geschäftsführers begründet worden sei. Abweichend hiervon sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die ordentliche Kündigung vom 22.10.2018 aufgrund der angeblich nicht genehmigten Vorschüsse für die Klägerin rechtmäßig sein solle, obwohl der Kündigungsgrund der angeblich nicht ordnungsgemäß verwendeten Gelder bzw. den nicht genehmigten Vorschüssen ausschließlich den zweiten Kündigungen der Beklagten vom 05.11.2018 zugrunde gelegen hätte. Ein Nachschieben durch die Beklagte sei nicht erkennbar. Rechtsfehlerhaft sei zudem, dass sich das unter Ziff. XV.3 S. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vertraglich vereinbarte Begründungserfordernis nicht auch auf die ordentlichen Kündigungen beziehe. Vielmehr sei zutreffend, dass auch die ordentliche Kündigung vom 22.10.2018 bereits deswegen unwirksam sei, weil die Kündigung keine Begründung enthalte. Das Begründungserfordernis beziehe sich auch auf die ordentliche Kündigung, was sich aus dem Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses ergebe, da dem Arbeitnehmer eine schnelle und verlässliche Grundlage für die Einschätzung der Aussichten einer Kündigungsschutzklage gegeben werden sollte. Die Interessenlage sei hinsichtlich der ordentlichen Kündigung nicht anders zu bewerten als im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, was insbesondere in Anbetracht der Klagefrist im Vergleich des § 4 S. 1 KSchG und § 13 Abs. 1 S. 1, 2 Kündigungsschutzgesetz gelte. Unabhängig davon sei auch die Kündigungsbegründung hinsichtlich der von der Klägerin vereinnahmten Gelder nicht geeignet, die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung vom 22.10.2018 zu begründen. Die Klägerin habe davon ausgehen dürfen, dass der von ihr angesprochene Herr J berechtigt gewesen sei, ihr die streitgegenständlichen Gehaltsvorschüsse zu genehmigen. Der Hinweis von Herrn J auf die noch zu erfolgende Rücksprache mit Herrn M beziehe sich nur auf die Rückzahlungsmodalitäten.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 12.11.2020 - 5 Ca 2592/18 - nach den Schlussanträgen der Kläge...