Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtsweg für Zahlungsklage eines DHL-Paketzustellers und Kurierfahrers mit eigenem Zustellfahrzeug. Arbeitnehmereigenschaft eines Auslieferungsfahrers bei vergleichsweise stärkerer Einbindung in betriebliche Organisation und Abläufe der Auftraggeberin
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich übt ein Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB ein selbstständiges Gewerbe aus. Jedoch ist ein solches Rechtsverhältnis dann als Arbeitsverhältnis anzusehen, wenn die Tätigkeit des Transporteurs durch den Auftraggeber stärker eingeschränkt wird, als es auf Grund der gesetzlichen Regelungen geboten ist.
Normenkette
HGB §§ 425, 407, 84 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a); HGB § 407 Abs. 1-2, §§ 418, 84 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 30.01.2015; Aktenzeichen 3 Ca 34/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 30.01.2015 - 3 Ca 34/14 - zu Ziffer 2 des Tenors abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist hinsichtlich des Zahlungsantrages zu Ziffer 5 aus der Klageschrift eröffnet.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses sowie um Zahlungsansprüche und in diesem Zusammenhang über die Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Der Kläger ist seit dem 01.03.2006 als Paketzusteller/Kurierfahrer für die Beklagte tätig. Seit dieser Zeit stellt er mit Hilfe seines Kleintransporters termingebundene Sendungen an die Auftraggeberin der Beklagten (DHL Express Germany Express GmbH) zu bzw. holt diese bei den Kunden ab. Der Kläger wird bei der Beklagten als sogenannter "Subunternehmer/Frachtführer" geführt. Die Beklagte erwartet von dem Kläger, dass er eine Gewerbeerlaubnis besitzt und seine Vergütung als Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit behandelt. Seit Vertragsbeginn im Jahre 2006 ist der Kläger ausschließlich für die Beklagte tätig gewesen. Ein schriftlicher Vertrag besteht zwischen den Parteien nicht.
Der werktägliche Ablauf stellt sich im Wesentlichen so dar, dass sich der Kläger bei der Auftraggeberin der Beklagten (künftig DHL) jeden Morgen gegen ca. 05:00 Uhr im Depot der DHL einzufinden hat, um die zuzustellenden Waren zu übernehmen. Das Depot wird von der DHL in eigener Verantwortung betrieben und enthält sämtliche Pakete und Sendungen, die der Kläger im Verlaufe des Vormittags zuzustellen hat (sogenannte erste Welle). Jede Sendung ist dabei mit einem Barcode versehen, der die Vorgabe enthält, bis zu welchem Zeitpunkt sie zugestellt werden muss. Der Kläger erhielt die entsprechenden Informationen, in dem er mit dem Scanner - ein von der DHL zur Verfügung gestelltes Gerät - den Barcode erfasste. Dabei wurden von der DHL als zeitliche Zustelloptionen Zeiten von vor 08:00 Uhr bis vor 12:00 Uhr vorgegeben. Eine Zustellung nach 12:00 Uhr war nur dann vorgesehen, wenn sie als sogenannte Zweitzustellung erfolgen sollte. Diese Zweitzustellung war im Laufe des Tages durch den Kläger bis spätestens 17:00 Uhr vorzunehmen. Ausnahmsweise kam es gelegentlich zu Zustellungen durch den Kläger in der Zeit von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Für die Zeit nach 12:00 Uhr hatte der Kläger vor allem die Aufgabe, die Abholung der von den Kunden aufgegebenen Sendungen vorzunehmen. Die Informationen zur Abholung wurden dem Kläger während der Tour auf elektronischem Wege auf sein Empfangsgerät übermittelt. Auf diese Weise war der Kläger werktäglich bis mindestens um 17:00 Uhr im Einsatz. Das von dem Kläger genutzte Arbeitsmaterial wie z. B. Scanner, Empfangsgerät, Formblätter, Mitteilungskarten und Aufkleber wurden durch die DHL gestellt. Das im Eigentum des Klägers befindliche Zustellfahrzeug war erkennbar als ein Fahrzeug der DHL lackiert und beschriftet. Dem Kläger war es durch die Beklagte formal freigestellt, seine vertraglichen Verpflichtungen durch eigene Mitarbeiter zu erfüllen, ohne dass allerdings ein solcher Fall in der Vergangenheit vorgekommen wäre. Vielmehr wurde durch die Beklagte von den Fahrern - und so auch vom Kläger - die Gestellung des eigenen Fahrzeuges erwartet, wenn eine Tour aus persönlichen Gründen nicht gefahren werden konnte. Ausfallzeiten des Klägers in der Vergangenheit wurden regelmäßig durch Mitarbeiter der Beklagten aufgefangen.
Mit dem Klageantrag zu 1 aus der Klageschrift begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten auf Grund der Kündigung der Beklagten vom 16.12.2013 nicht beendet worden ist. Mit dem Klageantrag zu Ziffer 3 aus der Klageschrift verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, ihn als Paketzusteller/Kurierfahrer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen. Mit dem Antrag zu Ziffer 5 aus der Klageschrift begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 2.457,55 Euro nebst Zi...