Entscheidungsstichwort (Thema)
Zutrittsrecht eines gekündigten Arbeitnehmers zu einer Betriebsversammlung
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Arbeitnehmer gekündigt und hat er dagegen Kündigungsschutzklage erhoben, begründet dies in der Regel zwar eine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Gleichwohl ist der Gekündigte hinsichtlich seines Zutrittsrechtes zu einer Betriebsversammlung wie ein Betriebsangehöriger zu behandeln, da nicht feststeht, dass der Gekündigte nicht mehr in den Betrieb zurückkehrt.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 3, § 42 Abs. 1, § 20 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 27.01.2017; Aktenzeichen 13 BVGa 1/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - (13 BVGa 1/17) vom 27. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. begehrt gegenüber der Beteiligten zu 2. mit seiner einstweiligen Verfügung die Gewährung von Zutritt zum Betriebsgelände der Beteiligten zu 2. zur Teilnahme an der am 30.01.2017 ab 14:00 Uhr stattfindenden Betriebsversammlung bis zu deren Beendigung.
Der Beteiligte zu 1. ist seit dem 31.01.2011 bei der Beteiligten zu 2. als Schichtführer und Wickler beschäftigt. Mit den Schreiben vom 22.12.2016 und vom 23.01.2017 kündigte die Beteiligte zu 2. das Arbeitsverhältnis jeweils außerordentlich. Außerdem erteilte die Beteiligte zu 2. dem Beteiligten zu 1. am 10.01.2017 ein Hausverbot.
Gegen die fristlosen Kündigungen hat der Kläger jeweils Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Stralsund - Kammern Neubrandenburg - erhoben (Aktenzeichen 13 Ca 292/16 sowie 13 Ca 20/17).
Mit Schreiben vom 13.12.2016 übersandte der Beteiligte zu 1. dem Geschäftsführer der Beteiligten zu 2. eine Einladung über die Durchführung einer Betriebsversammlung am 30.01.2017 zum Zweck der Bestellung eines Wahlvorstandes zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrates. Das Einladungsschreiben lautet u.a. wie folgt:
"An alle im Betrieb Beschäftigten
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider besteht in unserem Betrieb bislang noch kein Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft vertreten könnte. Wir wollen dies ändern und laden daher alle im Betrieb Beschäftigten zu einer
Versammlung
am: 30.01.2017
um: 14:00 Uhr
In: auf dem Betriebsgelände in H. ein.
Tagesordnung:
1. Ein/e Gewerkschaftssekretär wird die Bedeutung eines Betriebsrates für die Belegschaft und das Verfahren der Betriebsratswahl erläutern.
2. Es wird ein Wahlvorstand aus dem Kreise der Beschäftigten gewählt, der die Betriebsratswahl durchführt. Weiterhin wird ein/e Vorsitzende/r des Wahlvorstandes von der Versammlung gewählt. Es wird der Versammlung von den Einladenden/der einladenden Gewerkschaft ein Vorschlag bezüglich der Zusammensetzung des Wahlvorstandes und der Person des/der Vorsitzenden unterbreitet werden. Weitere Vorschläge können auf der Versammlung aus dem Kreise der Beschäftigten eingebracht werden.
..."
Das Einladungsschreiben ist von dem Kläger sowie von den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2. S. und B. unterzeichnet worden.
Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,
der Verfügungsbeklagten aufzugeben, das gegenüber dem Verfügungskläger ausgesprochene Hausverbot für die am 30. Januar 2017 stattfindende Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes zur Wahl eines Betriebsrates ab 14:00 Uhr aufzuheben und dem Verfügungskläger den Zutritt bis zur Beendigung der Betriebsversammlung zu gewähren.
Auf der Grundlage der Anhörung der Beteiligten vom 27.01.2017 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, der Verfügungsanspruch sei vorliegend zugunsten des Beteiligten zu 1. gem. § 20 Abs. 1 BetrVG gegeben. Zwar habe die Beteiligte zu 2. das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Jedoch habe der Beteiligte zu 1. jeweils Kündigungsschutzklage erhoben. Mithin sei ihm ein Zutrittsrecht zur Teilnahme an der Betriebsversammlung zu gewähren, da nach der gebotenen vorläufigen Würdigung des Verfahrens davon auszugehen sei, dass der Beteiligte zu 1. in den jeweiligen Kündigungsschutzverfahren erfolgreich sein werde. Auch der notwendige Verfügungsgrund sei gegeben. Das bestehende aktive Wahlrecht des Beteiligten zu 1. würde ohne einstweilige Regelung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vereitelt. Nennenswerte Beeinträchtigungen oder Gefahren für die Beteiligte zu 2. seien im Falle der Antragsstattgabe nicht ersichtlich.
Gegen diese noch am 27.01.2017 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 28.01.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde nebst Begründung der Beteiligten zu 2.
Die Beteiligte zu 2. beantragt:
unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichtes Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 27.01.2017, Aktenzeichen 13 BVGa 1/17, wird der Antrag des Verfügungsklägers abgelehnt.
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. ist der Auffassung, der durch den Beteiligten zu 1. gestellte Antrag sei mangels ausreichender Bestimmtheit gem...