Entscheidungsstichwort (Thema)
In eine Versicherung zur Altersabsicherung eingezahlte Nettobeträge sind kein pfändbares Arbeitseinkommen eines Insolvenzschuldners. Insolvenz. Verbraucherinsolvenz. Restschuldbefreiung. Wohlverhaltensphase. Treuhänder. Abtretung. Arbeitseinkommen. Pfändungsfreigrenze. Übertragbarkeit. Altersversorgung. Riester-Rente. Altersversorgungsbeitrag. Direktversicherung. Gehaltsumwandlung. Bürgerliches Recht. Arbeitsrecht. Grenzen des Pfändungsschutzes für aus dem Arbeitseinkommen aufgebrachte Beiträge zur privaten Altersvorsorge in der Wohlverhaltensphase zur Erlangung der Restschuldbefreiung (§ 286 InsO) nach Insolvenz. Beiträge zur Altersversorgung aus Arbeitseinkommen bei Privatinsolvenz. Zahlungsklage des Treuhänders für das Restschuldbefreiungsverfahren gegen Arbeitgeberin
Leitsatz (amtlich)
1. Beträge, die der Arbeitgeber ohne Veranlassung durch den Arbeitnehmer für ihn auf eine Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung einzahlt, unterliegen nicht der Pfändung nach den Vorschriften über die Pfändung des Arbeitseinkommens, da es sich nicht um eine Leistung handelt, die in Geld zahlbar ist (§ 850 Absatz 1 ZPO).
2. Weist ein Arbeitnehmer, der sich in der Wohlverhaltensphase zur Erlangung der Restschuldbefreiung im Sinne von § 286 InsO befindet, seinen Arbeitgeber an, von seinem Arbeitseinkommen monatlich wiederkehrend einen festen Betrag auf einen staatlich geförderten Riester-Renten-Vertrag einzuzahlen, kommt dieser Erklärung nur dann eine Rechtsbedeutung zu, wenn man sie dahin auslegen kann, dass die Zahlung aus dem nicht nach § 287 Absatz 2 InsO abgetretenen pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens erfolgen soll. Weder § 97 EStG i.V.m. § 851 ZPO noch § 851c Absatz 2 ZPO können dahin verstanden werden, dass der Arbeitnehmer eine solche Zahlung zu Lasten seiner Gläubiger aus dem an sich pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens leisten darf.
Normenkette
EStG §§ 10a, 97; ZPO §§ 850-851, 851c Abs. 2; BGB § 398; InsO §§ 286, 287 Abs. 2; ZPO § 850 Abs. 1-2; BGB § 398 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Urteil vom 10.05.2010; Aktenzeichen 5 Ca 1327/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Treuhänders wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 10. Mai 2010 teilweise abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.344,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag in Höhe von 1.008,00 Euro seit dem 15.07.2009, auf weitere 112,00 Euro seit dem 18.08.2009, auf weitere 112,00 Euro seit dem 14.09.2009 und auf weitere 112,00 Euro seit dem 21.10.2009 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 73 Prozent und im Übrigen der Kläger.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, in welchem Umfang ein Schuldner, der nach einer Insolvenz Restschuldbefreiung im Sinne von § 286 ff Insolvenzordnung (InsO) anstrebt, berechtigt ist, in der Wohlverhaltensphase aus seinem Arbeitseinkommen pfändungsfrei Beiträge auf Versicherungen zur Absicherung im Alter einzuzahlen.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und wurde in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn P. (Schuldner) mit Beschluss vom 29. September 2005 zum Treuhänder für das Restschuldbefreiungsverfahren bestellt (Beschluss des Amtsgerichtes Rostock vom 29. September 2005 – 62 IK 350/04 –). Die Beklagte ist ein Unternehmen, bei dem der Schuldner in den letzten Jahren als Arbeitnehmer tätig war. Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit einzelner Anteile des Arbeitseinkommens des Schuldners für die Zeit ab August 2008, die entweder nach der Zweckbestimmung durch die Beklagte oder nach der Zweckbestimmung durch den Schuldner zu Altersvorsorgezwecken zu Gunsten des Schuldners angelegt werden.
Der Schuldner hat wie in § 287 Absatz 2 InsO vorgesehen mit schriftlicher Erklärung vom 18. Juni 2004 alle pfändbaren Anteile seines Arbeitseinkommens für die Zeit von sechs Jahren ab Insolvenzeröffnung, also vom 14. Oktober 2004 bis zum 13. Oktober 2010 an den Kläger (Treuhänder) abgetreten.
Der 1959 geborene Schuldner, der keiner weiteren Person zum Unterhalt verpflichtet ist, steht seit Juli 2005 in einem Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis bestand zunächst zu einer GmbH, die inzwischen insolvent ist. Das Arbeitsverhältnis zur Beklagten ist im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs entstanden, den die Parteien unstreitig auf Oktober 2008 datieren und den sie durch einen dreiseitigen Änderungsvertrag zwischen Arbeitnehmer (Schuldner), Altarbeitgeber und Neuarbeitgeber (Beklagte) zusätzlich rechtsgeschäftlich geregelt haben (Kopie des Vertrages vom 6. Oktober 2008 hier Blatt 115, es wird Bezug genommen).
Der Schuldner war bei seiner Einstellung im Juli 2005 zunächst als Tankwagenfahrer eingesetzt und verdiente anfangs 1.300,00 EUR brutto, später 1.350,00 EUR brutto und seit Sep...