Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bei angestrebter Betriebsvereinbarung zum Bereich „Mobbing”.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 87 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 27.07.2005; Aktenzeichen 6 BV 153/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1. wird derBeschluss desArbeitsgerichts München vom27. Juli 2005 – 6 BV 153/04 – abgeändert:
- Zum Vorsitzenden einer im Betrieb G. der Arbeitgeberin in München einzurichtenden Einigungsstelle zum Gegenstand: „Betriebsvereinbarung Mobbing” wird Herr Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht München Dr. D. bestimmt.
- Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
- Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die im Rahmen eines Verfahrens nach § 98 ArbGG vom Betriebsrat und Beteiligten zu 1. begehrte Einrichtung einer Einigungsstelle im Betrieb „G.” der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2. zum Thema „Mobbing”.
Der Betriebsrat der Generalverwaltung der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2., bei der ca. 300 Arbeitnehmer beschäftigt sind, forderte diese mit Schreiben vom 07.11.2003 (Bl. 5 d. A.) zu Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Thema Mobbing auf. Nachdem die Arbeitgeberin dies mit Schreiben vom 05.03.2004 (Bl. 15/16 d. A.) insbesondere mit der Begründung, dass eine zusätzliche Regelung bezogen auf ihre Generalverwaltung keinen wesentlichen Mehrwert stifte, abgelehnt hatte, teilte der Betriebsrat wiederum mit Schreiben vom 19.03.2004 (Bl. 17/18 d. A.) mit, dass er beschlossen habe, dass die Angelegenheit durch eine Einigungsstelle entschieden werden solle, für die jeweils drei Beisitzer vorgesehen seien.
Mit Antragsschriftsatz vom 19.04.2004, am 20.04.2004 beim Arbeitsgericht München eingegangen, beantragte der Betriebsrat, einen – konkret benannten – Vorsitzenden einer Einigungsstelle zum Thema „Betriebsvereinbarung Mobbing” zu bestimmen und die Zahl der Beisitzer auf jeweils drei festzusetzen.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im Ersten Rechtszug wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.07.2005, der dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, ausweislich des Empfangsbekenntnisses, am 24.08.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es zwar einerseits in jeder Organisation Erscheinungen gebe, die den beschriebenen Begriff des Mobbing erfüllten, jedoch andererseits nachvollziehbare Anhaltspunkte nicht erkennbar seien, dass im konkreten Fall des Betriebs der Arbeitgeberin ein sozial-psychologisches Phänomen vorhanden sei, das diese Bezeichnung verdiene, oder eine diesbezügliche Gefahrenlage existiere – weshalb es an einem regelungsbedürftigen Tatbestand fehle und die Einigungsstelle damit offensichtlich unzuständig sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats mit Schriftsatz vom 01.09.2005, am 02.09.2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er gleichzeitig vorgetragen hat, dass es Aufgabe eines Betriebsrats wie eines Arbeitgebers sei, nicht erst dann tätig zu werden, wenn Mitarbeiter
oder Vorgesetzte im Sinne einer bereits begründeten/zur Diskussion stehenden Schadensersatzpflicht wegen Mobbings durch ihre Handlung zu weit gegangen seien, sondern § 75 BetrVG von einem Betriebsrat ebenso wie von einem Arbeitgeber verlange, schon im Vorfeld eine Sensibilität zu entwickeln, die auf erste Anzeichen reagiere und eine Negativentwicklung bis hin zum Schadensersatz verhindere. In Literatur und Rechtsprechung werde seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.01.1997 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zum Regelungsgegenstand Mobbing vermehrt nicht nur aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sondern als Teil des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG abgeleitet; dies folge auch aus der gesetzlichen Neuregelung des Arbeitsschutzgesetzes und der Interpretation dessen Vorgaben durch Literatur und Rechtsprechung. Auf Grund zahlreicher Studien und Untersuchungen in den letzten Jahren sei Mobbing als Regelungsgegenstand für eine Einigungsstelle auch ausreichend bestimmt für einen Antrag nach § 98 ArbGG, zumal hier ausreichend sei, dass die Rechtsauffassung des Betriebsrats lediglich vertretbar sei.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1. beantragt:
- Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.07.2005, Az. 6 BV 153/04, wird aufgehoben.
Der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht München, Herr E., wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle beim Beteiligten zu 2 bestimmt und die Zahl der Beisitzer auf jeweils drei festgesetzt zu folgendem Thema:
Betriebsvereinbarung Mobbing
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. trägt zur Begründung ihres Antrags auf Verwerfung – hilfsweise Zurückweisung – der Beschwerde des Betriebsrats...