Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungsmanagement

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber ist gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner Überwachungspflicht gem. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX über die Beschäftigten zu informieren, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren und bei denen daher ein betriebliches Eingliederungsmanagement gem. § 84 SGB IX einzuleiten war.

2. Der vorherigen Zustimmung der betroffenen Person bedarf es nicht.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 2 S. 1; SGB IX § 84 Abs. 1-2; BDSG § 4 Abs. 1, § 32 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 16.04.2010; Aktenzeichen 27 BV 346/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Arbeitgebers und Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 16.04.2010 – 27 BV 346/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, welche Unterrichtungsansprüche dem Betriebsrat im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und einer hierzu abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zukommen.

Der Antragsteller ist der am Standort O. gebildete Betriebsrat im Unternehmen des Arbeitgebers, der Luft- und Raumfahrtforschung betreibt.

Am 11.12.2008 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung zur „Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX” (im Folgenden: BV BEM). Diese sieht u. a. folgende Regelungen vor:

„…

§ 3 Geltungsbereich

(1) Diese BV findet für alle Mitarbeiter Anwendung, die innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

(2) Darüber hinaus können Mitarbeiter von sich aus jederzeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement beantragen.

§ 4 Integrationsteam

(1) Für die Mitarbeiter, die gem. den Bestimmungen nach § 4 für ein BEM in Betracht kommen und hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, wird ein Integrationsteam gebildet. Dieses tritt für das BEM bei Bedarf im konkreten Fall zusammen. In diesem Team sind folgende Mitglieder vertreten:

  • • ein Beauftragter des Arbeitgebers mit Entscheidungsbefugnis,
  • • ein Beauftragter des Betriebsrats,
  • • die Schwerbehindertenvertretung.

§ 5 Maßnahmen

(1) Der Arbeitgeber benachrichtigt den Betriebsrat unverzüglich über Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Innerhalb von 6 Arbeitstagen trifft das Integrationsteam eine Entscheidung, ob ein BEM angeboten wird. Erachtet das Integrationsteam ein BEM nicht als sinnvoll, wird ein BEM nicht angeboten.

(2) Soweit die Betriebsparteien hierüber nicht einig sind, nimmt ein Mitglied des Integrationsteams einen ersten, nicht formellen Kontakt mit dem Betroffenen auf. In diesem Stadium ist auf die Verwendung von Schriftstücken zu verzichten. In diesem mündlichen Erstkontakt erhält der Mitarbeiter die Ankündigung, dass ihm die erforderlichen Informationen zu BEM zeitnah zugeleitet werden (BV und Anlagen). Teilt der Betroffene mit, dass er an der Teilnahme an einem BEM interessiert ist, wird er in das Verfahren nach dieser BV einbezogen. Lehnt der betroffene Mitarbeiter eine Teilnahme ab, ist das Verfahren für ihn beendet. Der Mitarbeiter hat seine Entscheidung nach Zuleitung der Unterlagen in der Form der Anlage 2 mitzuteilen. Der BR wird über die Entscheidung des Mitarbeiters informiert.

(3) Der vorstehende Absatz gilt auch für die Mitarbeiter, die nach übereinstimmender Einschätzung der Betriebsparteien für das BEM in Betracht kommen.

(4) Die Teilnahme an einem BEM ist in jedem Stadium freiwillig.

(5) Mitarbeitern, die an einem BEM nicht teilnehmen möchten, dürfen hierdurch keine Nachteile entstehen.

(6) Die Anlagen können durch einstimmigen Beschluss des Integrationsamts abgeändert werden.

(7) Das Anschreiben ist nicht an die Privatadresse des betroffenen Mitarbeiters zu senden.

§ 7 Datenschutz

(1) Das BEM erfolgt unter Wahrung der jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Das Integrationsteam ist zur Verschwiegenheit gegenüber jedermann verpflichtet mit Ausnahme der Berichtspflicht nach § 5 Abs. 3 dieser BV.

(2) Wenn personenbezogene Daten an Nichtmitglieder weitergegeben werden sollen, hat das Integrationsteam die betroffenen Mitarbeiter über diese Absicht zu informieren und vor der Weitergabe ihre schriftliche Einwilligung einzuholen. Wenn Ärzte angehört und gesundheitliche Informationen erörtert werden sollen, dürfen die Ärzte ihnen bekannt gewordene gesundheitliche Informationen erst an das Integrationsteam weitergeben, wenn die Mitarbeiter sie vorher schriftlich von der Schweigepflicht entbunden haben.

(3) Die im Rahmen dieser BV mit Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters zulässig erhobenen Daten dürfen ausschließlich für die in der Vereinbarung benannten Ziele des BEM verwandt werden. Zu anderen Zwecken ist ihre Verwendung untersagt. Die Verwendung der Daten, die nach § 84 SGB IX die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einem BEM auslösen, bleiben hiervon unberührt. Gesun...

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