Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei subjektiver Unmöglichkeit der Regelung für andere Gremien. Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Regelung von Lohnverwendungsvorschriften in einer Konzernbetriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats kann sich unter dem Gesichtspunkt subjektiver Unmöglichkeit einer Regelung für andere Gremien ergeben. Dies gilt namentlich dann, wenn die Arbeitgeberseite freiwillige Mittel (nur) für eine konzerneinheitliche Regelung zu stellen bereit ist, wobei unschädlich ist, wenn in den Regelungen (auch) auf das Entgelt Bezug genommen wird, dessen Zahlung nicht freiwillig ist.

2. Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer im Fall einer Entsendung ins Ausland im Innenverhältnis zum Arbeitgeber Beträge in Höhe der in Deutschland anfallenden Steuer zahlen sollen, während der Arbeitgeber die im Gastland tatsächlich erhobenen übernimmt, sind Lohnverwendungsvorschriften, die verhältnismäßig sein müssen (im konkreten Fall verneint).

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird in einer Konzernbetriebsvereinbarung eine bestimmte Verfahrensweise bei der Versteuerung der Vergütung bei Auslandsentsendung unter zwingender Einschaltung eines Steuerberaters geregelt, greift dies in unverhältnismäßiger Weise in die Handlungsfreiheit namentlich der Arbeitnehmer ein, die im Ausland einer geringeren Steuer unterworfen sind, dennoch aber an ihren Arbeitgeber eine höhere pauschalierte deutsche Einkommensteuer abzuführen haben. Auch ist die Festlegung der notwendigen Konsultation eines vom Arbeitgeber benannten Steuerberaters ein Verstoß gegen die Handlungsfreiheit der Betroffenen. Sie ist auch nicht Gegenstand der zwingenden Mitbestimmung, insbesondere nicht im Sinne der betrieblichen Ordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Vielmehr geht es um das private außerbetriebliche Verhalten der Arbeitnehmer bei der Erfüllung ihrer Steuerpflicht. Dies ist gleichzeitig ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG. Denn der Eingriff besteht darin, dass die Arbeitnehmer ihre Steuerdaten an Dritte auch ohne oder gegen ihren Willen bekanntgeben müssen. Dies ist ein unverhältnismäßiger und unzulässiger Regelungsgegenstand einer Konzernbetriebsvereinbarung.

 

Normenkette

BetrVG §§ 58, 75; BGB § 139; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 10, § 88

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 04.07.2018; Aktenzeichen 28 BV 406/17)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.

II. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 04.07.2018, Az: 28 BV 406/17, teilweise abgeändert und klarstellend neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass

a. Ziffer 12 "Steuern" der Anlage 1 "Entsendebedingungen Ausland in der Fassung vom 12.12.2012" zur Konzernbetriebsvereinbarung über Auslandsentsendungen vom 27.03.2009,

b. deren Anhang B "Steuerausgleich-Grundsätze" mit Ausnahme dessen Ziffern 1 Abs. 2 und 3, 2.2., 2.3. sowie 5 S.2, sowie

c. Ziffer 7 Abs. 1 und 2 des Musterentsendungsvertrages (Anlage 2 zur Konzernbetriebsvereinbarung über Auslandsentsendungen vom 27.03.2009)

unwirksam sind.

2. Es wird festgestellt, dass die Konzernbetriebsvereinbarung über Auslandsentsendungen vom 27.03.2009 mit allen Anlagen und Protokollnotizen im übrigen wirksam ist.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Konzernbetriebsvereinbarung zu Auslandsentsendungen.

Die Beteiligte zu 2) ist eine von den in Deutschland tätigen Unternehmen der XY-Gruppe durch Gesellschaftsvertrag vom 06.09.2013 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Wahrnehmung der Interessen der beteiligten Unternehmen gegenüber dem Konzernbetriebsrat. Die an ihr beteiligten Unternehmen unterfallen dem Anwendungsbereich der Tarifverträge der Metallindustrie.

Antragsteller und Beteiligter zu 1) (im Folgenden KBR) ist der aufgrund Strukturtarifvertrags vom 06.09.2013 (in Anlage KBR 2 zum Antrag vom 18.12.2017, Bl. 18 ff. d.A.) gebildete Konzernbetriebsrat zur Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs.1 BetrVG (mit Ausnahme der in § 5 Abs. 3 BetrVG genannten Personen), die bei den an der Beteiligten zu 2) beteiligten Unternehmen beschäftigt sind. Der Strukturtarifvertrag wurde zwischen der IG-Metall und der Beteiligten zu 2) geschlossen, nachdem die in Deutschland tätigen Unternehmen der XY-Gruppe nicht mehr von einem in Deutschland ansässigen Unternehmen beherrscht worden waren.

Mit dem Ziel, die teilweise im Konzern bestehenden unterschiedlichen Regelungen zu entsendungsbedingten Zahlungen zu vereinheitlichen und für die Mitarbeiter, die regelmäßig der Entsendung folgen müssten, den Auslandsaufenthalt kostenmäßig zu neutralisieren, dass sie absehbar nicht weniger Geld zur Verfügung haben sollten als im Heimatland, hatte die im Jahr 2008 noch den Konzern behe...

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