Entscheidungsstichwort (Thema)
Übermittlungspflichten der Arbeitgeberin gegenüber dem örtlichen Betriebsrat zur Überwachung der Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertenrecht
Leitsatz (amtlich)
In einem Betrieb, der zu einem Unternehmen mit mehreren Betrieben einschließlich eines Gesamtbetriebsrats gehört, hat der örtliche Betriebsrat Anspruch auf Übermittlung einer Kopie des Verzeichnisses i.S.d. § 80 Abs. 1 SGB IX bezogen auf den Betrieb, für den er gewählt ist, und auf Übermittlung der Kopie der Anzeige i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bezogen auf das Gesamtunternehmen. Dies ergibt sich aus der am Wortlaut sowie Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unter Berücksichtigung der Aufgabenstellungen des örtlichen Betriebsrats.
Normenkette
SGB IX § § 71 ff., §§ 80-84, 93, 97 Abs. 6, § 99; BetrVG § 80 Abs. 1 Nrn. 1, 4, §§ 99, 50 Abs. 1; SGB IX § 80 Abs. 1, 2 Sätze 1, 3, § 81 Abs. 1 Sätze 7-9; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 25.11.2015; Aktenzeichen 24 BV 8/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 25.11.2015 - 24 BV 8/15 - in Ziffer 2 des Tenors teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, dem Beteiligten zu 1) einmal jährlich bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe i. S .d. § 80 Abs. 2 S. 1 SGB IX an die für die Beteiligte zu 2) zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen für den Betrieb A-Stadt, A-Straße, AStadt zu übermitteln.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren über die Frage, ob die Übermittlungspflichten der Arbeitgeberin aus § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gegenüber dem Beteiligten zu 1) bestehen und bejahendenfalls in welchem Umfang.
Bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) handelt es sich um ein in Südbayern tätiges Einzelhandelsunternehmen im Lebensmittelbereich, das an verschiedenen Orten Verkaufsfilialen unterhält. Für die Filiale in A-Stadt, A-Straße, ist der antragstellende Betriebsrat gewählt. Darüber hinaus besteht bei der Arbeitgeberin ein Gesamtbetriebsrat.
Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Unternehmen Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen. Mit Schreiben vom 10.09.2014, 07.04.2015 und 29.10.2015 übermittelte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat das Verzeichnis der bei ihr beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und den sonstigen anrechnungsfähigen Personen gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX für die Jahre 2013, 2014 und 2015. Eine Kopie der Anzeige im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sowie des Verzeichnisses im Sinne des § 80 Abs. 1 SGB IX für das gesamte Unternehmen, gesondert für jeden Betrieb, wurden nicht übermittelt.
Durch rechtskräftigen Beschluss vom 17.05.2015 - 8 TaBV 8/15 - hat das Landesarbeitsgericht München den Antrag des Gesamtbetriebsrats, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Arbeitgeberin zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Arbeitgeberin beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten oder sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln, zurückgewiesen.
Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren hat der (örtliche) Betriebsrat zuletzt Feststellung begehrt, dass die Arbeitgeberin ihm gegenüber zu den Übermittlungspflichten aus § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX verpflichtet sei. § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX konkretisiere den Anspruch des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG. Eine Versendung von einem lediglich auf den jeweiligen Betrieb bzw. die jeweilige Betriebsstätte begrenzten Auszug sei im Hinblick auf die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats unzureichend und werde vom Wortlaut des § 80 SGB IX nicht gedeckt. Die Arbeitgeberin hat ihren Zurückweisungsantrag damit begründet, dass für die Arbeit des örtlichen Betriebsrats die Kenntnis von der Anzahl sowie die Namen der schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen aus anderen Betriebsstätten unerheblich sei. Auch sei nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB IX das Verzeichnis gesondert für jeden Betrieb zu führen. Des Weiteren sei die Forderung auf Vorlage des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX für die Filiale A-S...