Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Änderung des Sozialplans
Leitsatz (amtlich)
Die Betriebsparteien können rückwirkend Berechnungsfaktoren (hier: Monatseinkommen) für die Abfindung ändern, wenn die Änderung der Rechtssicherheit dient und kein unverhältnismäßiger Eingriff in Abfindungsansprüche vorliegt.
Normenkette
BetrVG § 112
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 04.08.2006; Aktenzeichen 5 Ca 232/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.08.2005, 5 Ca 232/05, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.675,55 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt zusätzliche Abfindung nach dem Teilsozialplan II vom 23./24.06.2004. Er vertritt die Auffassung, nach Anlage 3 des Teilsozialplans sei für die Ermittlung der Abfindung das Bruttogehalt nach dem Jahresbruttoeinkommen der letzten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses zu berechnen. Durch Protokollnotiz vom 25.10.2004 habe die Berechnung des Bruttogehalts nicht wirksam verändert werden können.
Der 1960 geborene Kläger war vom 13.06.1988 bis zum 31.07.2004 beschäftigt im Bereich Feuerwehr/Werkschutz. Neben monatlichen Überstundenvergütungen in wechselnder Höhe erhielt er einmal jährlich mit Oktoberabrechnung Stundenauszahlungen vom Stundenkonto (Oktober 2003: 4.112,64 EUR, Bl. 85 d.A.). Bezug genommen wird auf die Abrechnungen August 2003 bis Juli 2004, Bl. 82 – 97 d.A..
Durch Aufhebungsvertrag vom 20.07.2004 (Bl. 11 d.A.) wurde das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zum 31.07.2004 beendet, zum 01.08.2004 wechselte der Kläger in die Transfergesellschaft. In Ziffer IV des Aufhebungsvertrages ist die Zahlung einer Abfindung vereinbart, deren Höhe sich nach den Teilsozialplänen I und II richtet.
Die Beklagte betrieb eine Flugzeugwerft. Wegen Umstrukturierung und beabsichtigtem Personalabbau von 336 Mitarbeitern bei 546 Arbeitsplätzen schlossen die Betriebsparteien den Teilsozialplan II vom 23./24.06.2004. Das Sozialplanvolumen ist auf 13.693.500,– EUR festgesetzt und umfasst die Kosten der Transfergesellschaft und Abfindungen für die ausscheidenden Mitarbeiter. Die Anlage 3 bestimmt folgendes System zur Abfindungsberechnung:
A-Punkte (Alter) Punkttabelle
BZ-Punkte (Betriebszugehörigkeit)
Bei feststehendem Sozialplanvolumen, welches dann entsprechend verteilt werden muss, errechnet sich der Abfindungsbetrag pro Mitarbeiter wie folgt:
Zunächst wird der Zwischenabfindungsbetrag festgestellt: Dabei wird die individuelle Gesamtpunktzahl (Addition der A- und BZ-Punkte) × individuelles Bruttogehalt (Jahresbruttoeinkommen: 12) multipliziert und für alle Arbeitnehmer die Addition der Gesamtzwischenabfindung festgestellt.
Dann wird der Faktor ermittelt, und zwar wie folgt:
Sozialplanvolumen: Gesamtzwischenabfindung
Es errechnet sich dann in der Regel ein Faktor von 0,….
Die individuelle Abfindung wird dann ermittelt aus der Multiplikation:
Bruttomonatsgehalt × individuelle Gesamtpunktzahl × Faktor
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Teilsozialplan II, Bl. 6 – 10 d.A..
Mit Protokollnotiz vom 25.10.2004 vereinbarten die Betriebsparteien eine verbindliche Definition des Begriffs „individuelles Bruttogehalt” und legten u.a. fest, dass jährliche Stundenauszahlungen und Mehrarbeit nicht zur Berechnungsgrundlage des individuellen Bruttogehalts gehören.
Die Beklagte berechnete die Abfindungsbeträge entsprechend der Protokollnotiz vom 25.10.2004. Nach der Berechnung vom 28.10.2004 (Bl. 12, 13 d.A.) hat der Kläger eine Teilauszahlung der Abfindung in Höhe von 34.150,– EUR erhalten, berechnet aus 79 Punkten × 3.502,45 EUR Monatsgehalt × Faktor 0,118.
Der Kläger hat vorgetragen, als Jahresbruttoeinkommen seien alle Bezüge der letzten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses zu verstehen einschließlich der jährlichen Stundenauszahlung und der Überstunden. In Kenntnis dieser Regelung des Teilsozialplans II habe er den Aufhebungsvertrag geschlossen. Die nachfolgende Protokollnotiz sei keine wirksame Änderung der Berechnungsgrundlage. Für die Abfindungsberechnung sei deshalb ein Bruttogehalt von 4.164,94 EUR zugrunde zu legen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.675,55 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, was unter Jahresbruttoeinkommen zu verstehen sei, sei durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem Willen der Betriebsparteien habe nur das dauerhaft gezahlte Entgelt als Berechnungsgrundlage dienen sollen. In der Protokollnotiz vom 25.10.2004 seien sodann die Entgeltbestandteile festgelegt worden, die für die Berechnung zugrunde zu legen seien. Es handele sich um eine wirksame und verbindliche Auslegung des zu berücksichtigenden Bruttogehalts.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entsch...