Entscheidungsstichwort (Thema)

Erschütterung des Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. kein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers wegen vom Arbeitnehmer initiierten Zeitungsartikel. Erschütterung des Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, wenn der Arbeitsnehmer im Rahmen einer zuvor zumindestens teilöffentlich geführten Diskussion einen den Arbeitgeber belastenden Zeitungsartikel initiiert

 

Leitsatz (amtlich)

1. 3 aufeinanderfolgende Erstbescheinigungen von 2 unterschiedlichen Ärzten, nach inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, vorheriger Eigenkündigung samt Mitnahme sämtlicher persönlicher Gegegnstände aus dem Betrieb am letzten tatsächlichen Arbeitstag, gut 6 Wochen vor Ablauf der ordentliche Kündigungsfrist begründen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

2. Bei Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen spricht eine Vermutung zugunsten zu Gunsten der Freiheit der Meinungsäußerung des Arbeitnehmers nach Art.5 GG, wenn diese Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentliche Diskussion erfolgt(BAG 12.1.2006 – 2 AZR 21/05 –). Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer vor diesem Hintergrund einen den Arbeitgeber belastenden Zeitungsartikel initiiert; darin liegt keine arbeitsvertragliche Loyalitäts – bzw. Pflichtverletzung.

 

Normenkette

EFZG §§ 3, 5; BGB § 280

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 14.01.2005; Aktenzeichen 13 Ca 269/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der jeweiligen weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14.01.2005 – 13 Ca 269/04 – teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.530,00 EUR brutto abzüglich geleisteter 872,45 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2004 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 782,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 391,30 EUR brutto seit dem 06.04.2004 und weitere 391,30 EUR brutto seit dem 17.02.2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Gehaltsabrechnungen für die Monate Februar 2004 und März 2004 zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 57 % und die Beklagte zu 43 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um Entgeltfortzahlung, Arbeits- sowie Urlaubsvergütung für die Monate Februar und März 2004 und um einen hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch.

Die am geborene Klägerin war auf Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 25.08.2003 seit dem 25.08.2003 bei der Beklagten, die als gemeinnütziger Schulträger die M.-Sch. in L. betreibt, als deutschsprachige Lehrkraft in Teilzeit tätig. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden. Dafür erhielt sie eine Monatsvergütung in Höhe von 1.800,00 EUR brutto (= 1.246,53 EUR netto).

Gemäß § 5 des schriftlichen Anstellungsvertrages hatte die Klägerin einen Anspruch auf 28 Arbeitstage Urlaub, der in den von der Schule festgelegten Ferienzeiten der Schüler genommen und dessen Zeit „nach Urlaubsplan im Einvernehmen festgelegt” werden musste. Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Anstellungsvertrages wird auf Bl. 4 bis 7 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 03.01.2004 (vgl. Bl. 8 d. A.) kündigte die Klägerin das Anstellungsverhältnis zum 31.03.2004.

Vom 01. bis 17.02.2004 war die Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig. Ob das auch für den 18.02.2004 zutrifft, ist zwischen den Parteien im Streit.

Vom 19.02.2004 bis 31.03.2004 hat die Klägerin keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht.

Für die Zeit vom 23.02.2004 bis 05.03.2004 hat die Klägerin der Beklagten am 28.02.2004 eine vom Arzt Dr. B. am 25.02.2004 fest- und ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vorgelegt. Außerdem erhielt die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum vom 22.03.2004 bis 26.03.2004 eine von Herrn Dr. B. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung). Wegen der Einzelheiten dieser beiden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wird auf die Fotokopien gemäß Bl. 200 d. A. Bezug genommen.

Für den Zeitraum 08.03.2004 bis 19.03.2004 hat die Klägerin in erster Instanz eine Mitglieds- und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Betriebskrankenkasse M. O. vom 07.06.2004 (Bl. 37 d. A.) vorgelegt.

In zweiter Instanz hat Herr Dr. C. dem Gericht eine Durchschrift des Originalausdrucks der am 08.03.2004 von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche zum Verbleib beim Arzt bestimmt war, sowie einen Ausdruck der Arbeitsbescheinigungen zur Vorlage bei der Krankenkasse, welche er in seiner EDV vorgefunden hatte, vorgelegt. Hiervon sind dem Beklagtenvertreter vom Gericht am 16.02.2007 Fotokopie...

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