Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutterschaftsleistungen für Tagespflegerinnen in der Kindertagespflege. Unbegründete Zahlungsklage bei selbständig organisierter Tagespflege in eigenen oder angemieteten Räumen
Leitsatz (amtlich)
1. Frauen, die als Tagespflegepersonen in der Kindestagespflege aufgrund einer entsprechenden Erlaubnis des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (§ 43 SGB VIII) bis zu 5 Kinder gleichzeitig in ihnen gehörenden oder von ihnen angemieteten Räumen betreuen, stehen im Sinne des MuSchG regelmäßig weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem Beschäftigungsverhältnis als Heimarbeiterin zu dem jeweilgen Träger der Jugendhilfe.
2. Ein Anspruch auf Lohnersatzleistungen für die Dauer der Mutterschutzfristen ergibt sich für solche Personen nicht aus § 23 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 2a SGB VIII gegen den jeweiligen Träger der Jugendhilfe.
3. Es bleibt unentschieden, ob der deutsche Gesetzgeber seiner Pflicht zur rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie 2010/41/EU zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, genügt hat. Einzelne Personen können sich nicht mit Erfolg auf eine unmittelbare Geltung von Art. 8 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie berufen, weil jedenfalls die Person des Schuldners der Garantieansprüche nicht unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist.
4. Zur Begründung eines Anspruchs auf Mutterschaftsleistungen kann sich eine Frau mit Erfolg auch nicht unmittelbar auf Art. 11 Nr. 2b des ratifizierten UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979 (sogen. UN-Frauenrechtskonvntion - CEDAW; BGBl. II 1985, 648) stützen. Dieses Übereinkommen ist nicht geeignet und hinreichend bestimmt, ohne weitere normative Ausfüllung ein subjektives Recht des Einzelnen zu vermitteln.
Normenkette
CEDAW Art. 11 Nr. 2b; MuSchG § 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1; RL 2010/41/EU Art. 8; SGB VIII § 23 Abs. 2, 2a, 4, 2 Nr. 2, § 43; RL 41/2010/EU Art. 2 Buchst. a) Fassung: 2010-07-07, Art. 8 Abs. 1 Fassung: 2010-07-07, Abs. 2 Fassung: 2010-07-07, Abs. 3 Fassung: 2010-07-07, Art. 16 Abs. 1 Fassung: 2010-07-07
Verfahrensgang
ArbG Stade (Entscheidung vom 18.02.2016; Aktenzeichen 1 Ca 490/15 Ö) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 18.02.2016 (1 Ca 490/15 Ö) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den beklagten Landkreis auf Zahlung von Mutterschaftsleistungen in Anspruch.
Die Klägerin ist als Tagespflegeperson in der Kindertagespflege tätig.
Der Beklagte ist der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe und erteilte der Klägerin 2010 die bis zum 31.03.2015 befristete Erlaubnis, bis zu 5 Kinder gleichzeitig in der Kindertagespflege in den von ihr angemieteten Räumen zu betreuen.
Der Beklagte gewährte der Klägerin auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches VIII eine laufende Geldleistung. Diese setzte sich nach näherer Maßgabe der vom Jugendhilfeausschuss des Beklagten beschlossenen Grundsätze zur Förderung von Kindern in Tagespflege (Bl. 78 87 d.A.) aus einem Tagespflegegeld je Kind und Betreuungsstunde, bestehend aus einem Pauschalbetrag für Sachaufwand und einem Betrag für Förderleistung sowie aus Erstattungsbeträgen für nachgewiesene Aufwendungen zu Unfall, Alters, Kranken und Pflegeversicherung zusammen. In den vom Jugendausschuss beschlossenen Grundsätzen heißt es unter IV. u.a.:
6) Der Kindertagespflegeperson stehen pro Betreuungsjahr bis zu 6 Wochen Urlaub zu. Für diese Zeit wird die laufende Geldleistung weiter gezahlt. Die Kindertagespflegeperson hat ihre Urlaubszeiten zu Beginn des Jahres in Abstimmung mit den Eltern festzulegen.
7) Für sonstige betreuungsfreie Zeiten, wie Krankheit des Kindes oder der Kindertagespflegeperson, wird die laufende Geldleistung für bis zu 2 Wochen im Betreuungsjahr weiter gezahlt. Bei schwerwiegenden und langfristigen Erkrankungen des betreuten Kindes kann die Geldleistung zusätzlich für bis zu 3 Wochen im Betreuungsjahr gezahlt werden. In diesem Fall ist die Krankheit durch ein ärztliches Attest gegenüber dem Amt für Jugend und Familie nachzuweisen.
8) Alle Ausfallzeiten sind zu dokumentieren und dem Amt für Jugend und Familie auf Anforderung mitzuteilen. Für die Ausfallzeiten wird der durchschnittliche Betreuungsumfang der letzten 3 Monate zugrunde gelegt.
(...)
11) Zwischen der Kindertagespflegeperson und den Eltern wird im Regelfall ein privatrechtlicher Betreuungsvertrag geschlossen. Vertragliche Regelungen, die diesen Grundsätzen widersprechen, sind für das Amt für Jugend und Familie nicht bindend.
Auf der Grundlage der erteilten Erlaubnis erbrachte die Klägerin Betreuungsleistungen bis zum 17.01.2014. Der Beklagte zahlte die laufende Geldleistung für die Zeit bis einschließlich 31.01.2014.
Am 07.03.2014 gebar die Klägerin einen Sohn.
Mit der am 23.07.2015 bei dem Verwaltungsgericht S-Stadt eingegangen...