Entscheidungsstichwort (Thema)

sonstiges

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem – unstreitig – wirksamen gerichtlichen Vergleich regelt sich nach § 769 ZPO i.V.m. § 767 ZPO, nicht nach § 62 Abs. 1 ArbGG.

2. Die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO hat regelmäßig gegen Sicherheitsleistung zu erfolgen.

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 22.04.1999; Aktenzeichen 7 Ca 3659/99 W)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 29.04.1999 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.04.1999 – 7 Ca 3659/99 W – aufgehoben.

2. Die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin aus dem im Verfahren des Arbeitsgerichts Nürnberg 7 Ca 1187/98 W abgeschlossenen Vergleich vom 13.01.1999 wird gegen Sicherheit in Höhe von DM 3.402,– bis zum Erlass des Urteils eingestellt.

 

Gründe

1. Das von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist zulässig.

Das Erstgericht hat der Sache nach über einen Antrag gemäß § 769 ZPO entschieden. Ist – wie im vorliegenden Fall – Vollstreckungstitel ein gerichtlicher Vergleich und wird vom Schuldner im Zusammenhang mit der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt, dann können die Vorschriften des § 62 Abs. 1 ArbGG nur dann herangezogen werden, wenn die Wirksamkeit des Vergleichs im Streit ist (Dunkl u. a., Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, unter J Rz. 3). Ein solcher Streit liegt hier nicht vor. Für die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem vorliegenden wirksamen gerichtlichen Vergleich vom 13.01.1999 ist damit ausschließlich § 769 ZPO i.V.m. § 767 ZPO einschlägig.

Ob bei Entscheidungen nach § 769 ZPO Rechtsmittel zulässig sind, ist umstritten. Nach herrschender Meinung, der das Beschwerdegericht folgt, ist die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO u. a. statthaft bei Verkennen der Ermessensvoraussetzungen oder bei Ermessensfehlgebrauch (Dunkl u. a., a.a.O., unter J Rz. 96, m.w.N.).

Das Erstgericht hat erkennbar das ihm eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Es hat die Einstellung der Zwangsvollstreckung lediglich unter Hinweis auf die fehlenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 ArbGG abgelehnt. Damit ist die sofortige Beschwerde an sich statthaft.

Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig.

2. Da das Erstgericht das ihm eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat, ist die Ermessensentscheidung des § 769 ZPO vom Beschwerdegericht zu treffen.

Für die nach § 769 ZPO zu erlassende Entscheidung gelten die Beschränkungen des § 62 Abs. 1 ArbGG nicht. Dadurch, dass der Gesetzgeber gerade nicht den Fall des § 767 ZPO und damit auch nicht die Einstellungsmöglichkeit des § 769 ZPO erwähnt hat, wird deutlich, dass er gerade in diesen Fällen eine Sonderregelung für das arbeitsgerichtliche Verfahren nicht für notwendig erachtet hat. Im Übrigen ist der Regelungsbereich des § 767 ZPO wesentlich anders als der Regelungsbereich, der von den §§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1 ZPO erfasst wird. Bei § 767 Abs. 1 ZPO handelt es sich nämlich um Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch betreffen, die Einstellung nach § 62 Abs. 1 Satz 3 betrifft jedoch lediglich den Fall, dass eine an sich formell zulässige Zwangsvollstreckung zu einem unersetzbaren Nachteil bei dem Vollstreckungsschuldner führen würde. § 767 Abs. 1 ZPO betrifft den im Urteil festgestellten Anspruch selbst, während dies im Rahmen der Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. 1 Satz 3 unerheblich ist (Germelmann u. a., ArbGG-Komm., 3. Aufl., Rdnr. 38 zu § 62 m.w.N.; Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 6. Aufl., § 103 Abs. 5 Satz 5). Damit kann es für die nach § 769 ZPO zu entscheidende Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht maßgeblich darauf ankommen, ob die Zwangsvollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Einem solchen Nachteil kann allenfalls im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung die Bedeutung eines Entscheidungsarguments (unter vielen anderen) zukommen.

Eine Anordnung gemäß § 769 ZPO kann sich nur auf solche Ansprüche beziehen, die vollstreckt werden sollen. Aus dem Zwangsvollstreckungsauftrag des Beklagtenvertreters vom 09.03.1999 (Bl. 18 d.A.) ergibt sich, dass eine Vollstreckung nur wegen einer Forderung der Beklagten in Höhe von DM 3.402,84 durchgeführt werden solle.

Durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin S. vom 20.04.1999 hat die Klägerin glaubhaft gemacht (§ 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO), dass ein Betrag von DM 3.402,84 tatsächlich an das Arbeitsamt A. wegen „übergeleiteter Ansprüche” der Beklagten gezahlt worden sei. Es ist in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen, ob durch die Zahlung der Klägerin an das Arbeitsamt A. und die Auszahlung dieses Betrages durch das Arbeitsamt an die Beklagte der restliche Abfindungsanspruch der Beklagten in Höhe von DM 3.402,84...

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