Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderbetreuungskosten als zu erstattende Kosten i.S.d. § 40 Abs. 1 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Kinderbetreuungskosten sind jedenfalls dann nicht erforderlich und damit nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG einem Betriebsratsmitglied zu erstatten, wenn die Kinderbetreuung von einer anderen im Haushalt lebenden Person hätte übernommen werden können.
Für die Frage der Betreuungsmöglichkeit kommt es auf die objektive Fähigkeit einer im Haushalt lebenden Person an und nicht auf das Interesse dieser Person, ihre Zeit frei gestalten zu können. Die Ablehnung, die Kinderbetreuung zu übernehmen, ist nur beachtlich, wenn für diese Entscheidung ein sachlicher Grund vorliegt.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 11.09.2007; Aktenzeichen 10 BV 24/05 A) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 11.09.2007, Aktenzeichen: 10 BV 24/05 A, abgeändert.
2. Der Antrag wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 3. der Antragstellerin und Beteiligten zu 1. Kosten für die Betreuung ihrer beiden minderjährigen Kinder durch eine dritte Person zu erstatten hat.
Die Beteiligte zu 1. war im Jahr 2005 Vorsitzende des bei der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 3. am Standort F. bestehenden Betriebsrats, des Beteiligten zu 2.. Am Sitz der Beteiligten zu 3. in G. besteht ein Gesamtbetriebsrat, dem die Beteiligte zu 1. im Jahr 2005 als Mitglied angehörte.
In der Zeit vom 20.06.2005 bis 22.06.2005 nahm die Beteiligte zu 1. an einer Sitzung des Gesamtbetriebsrats und anschließend vom 22.06.2005 bis 24.06.2005 an einer Betriebsräteversammlung in G. teil. In der Zeit vom 19.7.2005 bis 22.07.2005 nahm die Beteiligte zu 1. wiederum an einer Sitzung des Gesamtbetriebsrats in G. teil.
Die Veranstaltung am 19.07.2005 begann um 08.15 Uhr, so dass die Beteiligte zu 1. bereits am Vortag anreiste. Die Entfernung vom Wohnort der Beteiligten zu 1. in H. nach G. beträgt mehr als 500 Kilometer.
Für die beiden Abwesenheitszeiträume ließ die Beteiligte zu 1. ihre beiden minderjährigen Kinder (11 und 12 Jahre) von Frau Nadine Walter ganztägig sowie über Nacht betreuen. Für die Betreuung und Aufsichtsführung über die Kinder vereinbarte die Beteiligte zu 1. mit der Tagesmutter einen Pauschalsatz von 30,– EUR pro Tag und Kind. Für die insgesamt 10-tägige Betreuung der beiden Kinder bezahlte die Antragstellerin EUR 600,–.
Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, die Beteiligte zu 3. müsse ihr diese entstandenen Kosten erstatten. Eine anderweitige Betreuung ihrer beiden minderjährigen Kinder sei nicht möglich gewesen, sie sei alleinerziehend. Ihre beiden volljährigen Kinder hätten die Betreuung der minderjährigen Geschwister nicht übernehmen können bzw. wollen.
Der volljährige Sohn I. habe bereits einen eigenen Hausstand gegründet und wohne weiter entfernt.
Die volljährige Tochter J. wohne zwar noch im Hausstand der Beteiligten zu 1.. Sie sei jedoch in einem Einzelhandelsgeschäft in H. mit 163 Stunden pro Monat vollzeitbeschäftigt. Sie werde dort 5 bis 6 Tage pro Woche eingeteilt. Sie erhalte ihren Arbeitsplan jeweils am Samstag für die darauffolgende Woche.
In der Zeit vom 18.07.2005 bis 22.07.2005 habe die Tochter J. Urlaub gehabt.
Während des Zeitraums 20.06.2005 bis 24.06.2005 habe Frau J. folgende Arbeitszeiten gehabt:
Montag |
20.06.2005 |
Frei |
Dienstag |
21.06.2005 |
12.00 Uhr bis 19.45 Uhr |
Mittwoch |
22.06.2005 |
06.30 Uhr bis 15.00 Uhr |
Donnerstag |
23.06.2005 |
06.30 Uhr bis 15.00 Uhr |
Freitag |
24.06.2005 |
13.00 Uhr bis 19.45 Uhr |
Frau J. verfüge nicht über ein eigenes Auto. Sie müsse das Haus bei einem Arbeitsbeginn um 06.30 Uhr vor 06.00 Uhr verlassen und an Tagen, an denen sie bis 19.45 Uhr arbeite, komme sie zwischen 20.30 Uhr und 20.45 Uhr nach Hause.
Frau J. sei nicht bereit gewesen, die beiden Geschwister während ihres Urlaubs und während der Woche vom 20.06. bis 24.06.2005 zu betreuen. Während ihrer Arbeitswoche wären die Kinder am 22./23.06.2005 frühmorgens und am 21./24.06.2005 bis spätabends allein gewesen. Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten Frau J. veranlasst, eine Betreuung ihrer Geschwister abzulehnen. Weil die Kinder sich nach den Arbeitszeiten und Freizeiten von Frau J. zu richten gehabt hätten, sei es zu großen Irritationen gekommen. Für Frau J. sei die Betreuung zweier minderjähriger Kinder während gleichzeitiger Berufstätigkeit in Vollzeit belastend gewesen.
Die Beteiligte zu 3. ist der Meinung, dass die Kinderbetreuungskosten nicht durch die Betriebsratstätigkeit der Beteiligten zu 1. entstanden seien. Insbesondere fehle es an dem von § 40 Abs. 1 BetrVG verlangten besonderen Zusammenhang zwischen der Betriebsratstätigkeit und den entstandenen Kosten. Kosten der persönlichen Lebensführung seien nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig. Des Weiteren se...