Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Einstweilige Verfügung. Feststellungsverfügung. Wahlabbruch. Wahlvorstandsgröße. Einstweiliger Verfügung/Arrest
Leitsatz (amtlich)
1. Bestellt der Betriebsrat eines Betriebes ohne Außenstellen einen neunköpfigen Wahlvorstand mit der Begründung, er wolle, dass sämtliche Abteilungen im Wahlvorstand vertreten seien, ist dieser Beschluss unwirksam. Die „Erforderlichkeit” einer Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder nach § 16 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist nicht gegeben.
2. Der Arbeitgeber kann die gerichtliche Feststellung beantragen, dass der Beschluss des Betriebsrats über die Einsetzung des Wahlvorstands unwirksam ist.
3. Diese Feststellung kann auch im Verfahren einer einstweiligen Verfügung getroffen werden; effektive Rechtsschutzgewährung gebietet in derartigen Fällen, in denen kein anderer Weg zur Verfügung steht, den Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung.
4. Die fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstandes hat die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge.
5. Zumindest dann, wenn die Wahl des Betriebsrats noch rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats durchgeführt werden kann, ist ein Abbruch der Wahl im Wege einstweiliger Verfügung auch dann möglich, wenn die Wahl im Falle ihrer Durchführung nicht nichtig, sondern nur anfechtbar wäre.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 16 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 01.03.2006; Aktenzeichen 6 BVGa 5/06 A) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 01.03.2006, Az. 6 BVGa 5/06 A, abgeändert.
II. Es wird festgestellt, dass die Einsetzung des Wahlvorstandes durch Beschluss des Beteiligten zu 2.) unwirksam ist.
III. Dem Beteiligten zu 3.) wird die weitere Durchführung der Betriebsratswahl, insbesondere der Erlass eines Wahlausschreibens, untersagt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung über die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses zur Einsetzung eines neunköpfigen Wahlvorstandes zur Durchführung der Betriebsratswahl sowie über die Berechtigung dieses eingesetzten Wahlvorstandes zur Durchführung der Wahl.
Die Antragstellerin betreibt ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen. In ihrem „Call-Off-Lager” in B… sind knapp 250 Arbeitnehmer beschäftigt. Dort besteht seit September 2004 ein Betriebsrat. Dieser Betriebsrat – im vorliegenden Verfahren Beteiligter zu 2.) – wählte in der Sitzung vom 09.02.2006 einen aus neun Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl sowie die Betriebsratsvorsitzende C… als Vorsitzende des Wahlvorstandes. Mit Schreiben vom selben Tag teilte er dies der Geschäftsleitung mit. Diese ließ den Betriebsrat durch Anwaltsschreiben vom 14.02.2006 auffordern, einen nur dreiköpfigen Wahlvorstand zu bestellen. Der Betriebsrat ließ dies mit Anwaltsschreiben vom 15.02.2006 zurückweisen.
Mit am 16.02.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag verlangte die Antragstellerin, dem Betriebsrat die Bestellung eines neunköpfigen Wahlvorstands zu untersagen und ihm die Beschränkung auf drei Wahlvorstandsmitglieder aufzugeben. Sie begründete dies damit, der Betriebsteil, für den die Betriebsratswahl durchzuführen sei, bestehe aus zwei miteinander verbundenen Hallen sowie einer etwa 20 Meter entfernten Lagerhalle mit jeweils unmittelbar angeschlossenem Bürotrakt mit Sozialräumen. Es gebe keine anderen Betriebsteile an anderen räumlich entfernten Orten. Die Bestellung eines Wahlvorstandes aus neun Mitgliedern sei daher nicht erforderlich.
Das Arbeitsgericht hat den Wahlvorstand als Beteiligten zu 3.) am Verfahren beteiligt. Die Antragstellerin hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt folgende Anträge gestellt:
- Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 2.) wird untersagt, einen aus neun Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand zu bestellen.
- Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 2.) wird aufgegeben, die Größe des von ihm zu bestellenden Wahlvorstandes auf drei Mitglieder zu beschränken.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens in Ziff. 1:
Es wird festgestellt, dass die Wahl des Wahlvorstandes unwirksam ist.
Höchst hilfsweise:
Dem Beteiligten zu 3.) wird untersagt, die Arbeit eines Wahlvorstandes mit neun Wahlvorstandsmitgliedern fortzusetzen.
Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2.) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat erklärt, die mit der Antragsschrift begehrten Handlungen bzw. Unterlassungen würden die Kompetenz des Antragsgegners überschreiten. Im Übrigen sei die Betriebsratswahl im Jahr 2004 durch einen siebenköpfigen Wahlvorstand geleitet worden, ohne dass die Antragstellerin hieran Anstoß genommen habe. Er, der Antragsgegner, habe sich bei der Bestellung davon leiten lassen, dass jede Abteilung, die die Arbeitgeberin im Betrieb unterhalte, im Wahlvorstand repräsentiert sein solle. Dadurch sei der für die Arbeitnehmer gewünschte direkte Informationsfluss gewährleistet.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 01.03....