Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld
Leitsatz (amtlich)
1. § 850 a Nr. 2 ZPO (Unpfändbarkeit von Urlaubsgeld) ist auch dann erfüllt, wenn das Urlaubsgeld jährlich mit der Junivergütung in einer Summe bezahlt wird.
2. § 850 a Nr. 2 ZPO setzt keine Darlegung konkreter urlaubsbedingter Mehraufwendungen voraus.
Normenkette
ZPO § 850a Nr. 2; BGB § 362 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 07.07.2005; Aktenzeichen 16 Ca 8893/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.07.2005 – 16 Ca 8893/04 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen tariflichen Urlaubsgeldanspruch des Klägers. § 15 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags Nr. 2 für die Beschäftigten des Bodenpersonals der Beklagten vom 03.03.2004 (im Folgenden: MTV) lautet auszugsweise:
Absatz 1:
Zusammen mit dem Gehalt für den Monat Juni wird ein Urlaubsgeld in Höhe eines halben Bruttomonatsentgeltes bezahlt. Maßgeblich sind die im Auszahlungsmonat gültigen Entgeltsätze.
…
Absatz 2:
Mitarbeiter, die in den ersten sechs Monaten eines Kalenderjahres ausscheiden, erhalten für jeden vollen Beschäftigungsmonat (Eintritt bis zum 15. Tag) in dem betreffenden Kalenderjahr 1/12 des Urlaubsgeldes, das ihnen bei Weiterbeschäftigung am 30. Juni zustehen würde.
Aufgrund bestehender Lohnpfändungen zahlte die Beklagte das Urlaubsgeld an Gläubiger des Klägers aus. Der Kläger hält den Urlaubsgeldanspruch für unpfändbar.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der zuletzt gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils vom 07.07.2005 (Bl. 82 f. d.A.), mit dem der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden ist, Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 18.08.2005 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 01.09.2005, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10.10.2005, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.
Die Beklagte beantragt:
Unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.07.2005, AZ 16 Ca 8893/04, wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10.10.2005 (Bl. 107-111 d.A.), vom 04.01.2006 (Bl. 122 f. d.A.) und vom 19.06.2006 (Bl. 136 f. d.A.) sowie die Schriftsätze des Klägers vom 14.10.2005 (Bl. 114 f. d.A.), vom 02.11.2005 (Bl. 117 f. d.A.) und vom 17.03.2006 (Bl. 124 d.A.) und die Sitzungsniederschrift vom 07.11.2006 (Bl. 144-146 d.A.) Bezug genommen.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
A. Die Forderung des Klägers ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstanden.
B. Die Forderung des Klägers ist nicht durch Zahlung der Beklagten an Lohnpfändungsgläubiger des Klägers erloschen. Die Beklagte konnte die Forderung gemäß § 362 Abs. 1 BGB nur durch „Leistung an den Gläubiger” zum Erlöschen bringen. Gläubiger der Forderung von EUR 771,61 war und ist der Kläger. Die vorliegenden Lohnpfändungen haben nicht zu einem Verlust der Stellung des Klägers als Gläubiger im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB geführt, da der Betrag von EUR 771,61 gemäß § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbar ist.
I. Die Parteien streiten um den Regelungsinhalt von § 850a Nr. 2 ZPO. Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage, ob „Urlaubsgeld”, das als fester Betrag zu einem bestimmten Fälligkeitstag bezahlt wird, unter § 850a Nr. 2 ZPO fällt, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 850a Nr. 2 ZPO bedarf damit der Auslegung.
1. Eine am Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 850 a Nr. 2 ZPO und am Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen orientierte Auslegung ergibt, dass auch Einmalzahlungen zu einem festen Fälligkeitstermin umfasst sind.
a) Der Wortlaut „die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge”) spricht für die vom Kläger vorgenommene Auslegung.
Auch eine Sonderzahlung, die als Einmalbetrag jährlich mit dem Junigehalt zu leisten ist, ist „für die Dauer eines Urlaubs” gezahlt. Mit der Formulierung „für die Dauer eines Urlaubs” wird lediglich die Zeitdauer eingeschränkt, für die die Leistung privilegiert sein soll. Dabei ist unbeachtlich, wann der Urlaub im Einzelnen genommen wird.
b) Auch der Sinn und Zweck der Regelung unterstützt das Auslegungsergebnis.
aa) Der Zweck der Leistung ist, anlässlich des Urlaubs entstehende Mehraufwendungen ganz oder teilweise abzudecken. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und vom Erstgericht eingehend begründet worden. § 850a Nr. 2 ZPO grenzt Leistungen mit dieser Zwecksetzung von anderen Zwecksetzungen ab. Nur Leistungen, die zur Abdeckung von Urlaubsaufwendungen gedacht sind, sind privilegiert, nicht jedoch wegen anderer Zwecke geleistete Bezüge (...