Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verstoß gegen § 612a BGB bei Kündigung wegen Ablehnung der Kurzarbeit. Kein Verstoß gegen § 612a BGB bei Kündigung trotz partiellem Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Kurzarbeit. Mindestlohnanspruch und Kurzarbeit
Leitsatz (amtlich)
1. Lehnt der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ab, weil der Arbeitgeber nicht bereit ist, dem Arbeitnehmer über das Kurzarbeitergeld hinaus vollen Lohnausgleich zu zahlen, so verstößt die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
2. Ob die angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit im Falle ihrer Annahme durch den Arbeitnehmer wirksam gewesen wäre, ist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn der Arbeitnehmer das Angebot vor der Kündigung allein deshalb abgelehnt hat, weil der Arbeitgeber keinen vollen Lohnausgleich zugesagt hat, sich im Übrigen aber mit der Anordnung von Kurzarbeit einverstanden erklärt hat. Etwaige ihm im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der angebotenen Vereinbarung zustehende Rechte hat der Arbeitnehmer dann nicht iSd. § 612a BGB "ausgeübt".
Leitsatz (redaktionell)
Soweit der Arbeitnehmer infolge wirksam eingeführter Kurzarbeit keine Arbeitsleistung erbringt, erwirbt er keinen Mindestlohnanspruch gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 MiLoG. Denn die Kurzarbeit führt zu einer teilweisen Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wird im Umfang der Kurzarbeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt und erhält als Ausgleich einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld gegen den Arbeitgeber.
Normenkette
BGB § 612a; GG Art. 2 Abs. 1; KSchG § 2; BGB §§ 134, 138, 307, 615; SGB III § 95; MiLoG § 1 Abs. 1, § 20
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Entscheidung vom 30.09.2020; Aktenzeichen 4 Ca 277/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 30.09.2020, Az.: 4 Ca 277/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigungen vom 26.03.2020 und vom 31.03.2020 sowie die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Die Klägerin war seit 15.10.2012 im Friseurbetrieb der Beklagten tätig. Der monatliche Bruttolohn betrug durchschnittlich 985,71 Euro.
Am 21.03.2020 wurde der Friseurbetrieb der Beklagten aufgrund einer Allgemeinverfügung des Bayerischen Gesundheitsministeriums vom 20.03.2020 vorübergehend geschlossen.
Am 23.03.2020 erhielt Klägerin per E-Mail einen Entwurf einer "Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit" datiert auf den 29.02.2020. Die Vereinbarung, die in der Präambel auf die derzeit bestehende Covid 19-Epidemie und den daraus folgenden erheblichen Umsatzeinbußen der Beklagten hinweist, sieht vor, dass der Arbeitgeber für den Fall eines erheblichen vorübergehenden Arbeitsausfalls i.S.d. § 96 SGB III berechtigt ist, Kurzarbeit anzuordnen, sofern er Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit angezeigt hat und diese gem. § 99 Abs. 3 SGB III einen schriftlichen Bescheid erlassen hat. Die Kurzarbeit darf danach maximal für den Zeitraum angeordnet werden, für den nach den jeweils gültigen gesetzlichen Maßgaben die Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit möglich ist. Es ist darin ferner geregelt, dass dann, wenn die Agentur für Arbeit aus Gründen, die nicht durch den Arbeitnehmer veranlasst oder beeinflussbar sind, kein Kurzarbeitergeld zahlt, dem Arbeitnehmer für die Zeit der Kurzarbeit derjenige Betrag zu zahlen ist, den er ansonsten als Kurzarbeitergeld erhalten hätte. Wegen des genauen Inhalts der Vereinbarung wird verwiesen auf die Anlage 3, Bl. 8 ff d.A. Die Klägerin unterzeichnete diese Vereinbarung nicht.
Mit E-Mail vom 24.03.2020 gesendet um 10.03 Uhr teilte die Klägerin der Beklagten in Antwort auf die E-Mail mit: "melden uns ...... sobald eine interne Entscheidung / Prüfung erfolgt ist." (vgl. Anlage 3 Bl. 8 ff.d.A.). Mit Schreiben vom 24.03.2020 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die von der Beklagten zur Unterschrift vorgelegte Vereinbarung zur Kurzarbeit der gegenwärtigen Situation nicht gerecht werde, weil diese das Beschäftigungsrisiko des Arbeitgebers einseitig auf den Arbeitnehmer verlagere, der auf 40 % seines Lohnes verzichten müsse, während der Arbeitgeber keinerlei Einbußen hinnehmen müsse, sofern - wovon auszugehen sei - der Antrag genehmigt werde. Sie wies darauf hin, dass nach einer Stellungnahme des Bundesarbeitsministeriums der Arbeitgeber grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet bleibe, wenn der Arbeitnehmer arbeitsbereit und arbeitsfähig sei. Arbeitgeber könnten zur Entlastung (nicht als Ersatz) Kurzarbeitergeld beantragen. Werde der Antrag genehmigt, übernehme die zuständige Arbeitsagentur einen Teil der Lohnkosten (wegen des Inhalts des Schreibens vom 24.03.2020 vgl. Anlage 6,...