Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsersetzung bei außerordentlicher Kündigung. Beweiswert ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Genesungswidriges Verhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

Genesungswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit stellt eine Pflichtverletzung dar, ist aber nicht in jedem Fall geeignet, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 15; BetrVG § 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 31.10.2003; Aktenzeichen 6 BV 2006/03)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des ArbG Mainz -Ausw. Kammern Bad Kreuznach – vom 31.10.2003 – 6 BV 2006/03 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte C. ist seit dem 01.07.2000 als Hausmeister bei der Arbeitgeberin beschäftigt (s. dazu den Arbeitsvertrag vom 23.06.2000, Bl. 67 ff. d. A.). C. war in der Zeit ab dem 23.06.2003 so arbeitsunfähig krank geschrieben, wie sich dies aus den Kopien der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes für Allgemeinmedizin X. vom 23.06.2003, 02.07.2003 und 11.07.2003 (Bl. 22 d. A.) ergibt (– s. dazu auch den Arztbrief der Chirurgischen und Unfallchirurgischen Ambulanz des Krankenhauses W. vom 19.06.2003 (Bl. 72 d. A.), und die Bescheinigung des Arztes X. vom 10.09.2003 (Bl. 79 d. A.). Seinerzeit errichtete C. einen Anbau an seinem Elternhaus.

Die Arbeitgeberin ließ C. von der V. U.-T.-Detektei observieren. Auf den zusammenfassenden Observationsbericht sowie auf die einzelnen Observationsberichte für den 03.07.2003, 04.07.2003, 08.07.2003, 10.07.2003, 12.07.2003, 15.07.2003 und 17.07.2003 (Bl. 23 ff. d. A.) wird ebenso verwiesen wie auf die diesbezüglichen Lichtbilder (= Hülle Bl. 208 d. A.).

  • Soweit im Folgenden von „Zielperson” die Rede ist, ist damit der Beteiligte C. gemeint –.

    In den Observationsberichten heißt es u. a. wie folgt:

  • 03.07.2003: „Auf der Baustelle, Anbau zum Haupthaus wird gearbeitet. Die Zielperson arbeitet im Neubau. Die Zielperson arbeitet im Innenbereich des Neubaus mit einer Schlagbohrmaschine. … Da sich alle Personen bei ihrer Arbeit immer im Innenbereich der Baustelle aufhielten, konnten keine Bilder gemacht werden …” (– aus dem Bericht für die Zeit von 09:30 Uhr bis 12:00 Uhr).
  • ”… Auf der Baustelle, Anbau zum Haupthaus wird gearbeitet. Es arbeiten mehrere Personen im Innenbereich des Anbaus. Die Zielperson arbeitet auch im Innenbereich. …” (Beobachtungen für die Zeit von 15:00 Uhr bis 17:30 Uhr).
  • 08.07.2003 (Beobachtungen für die Zeit von 10:00 Uhr bis 14:30 Uhr):

    „… Auf der Baustelle wird gearbeitet. Die Zielperson arbeitet alleine auf der Baustelle. Die Zielperson mischt im Hof in seinem Schubkarren Zement? o. ä.. Die Zielperson fährt den vollen Schubkarren mehrfach vom Hof in den Anbau. Die Zielperson arbeitet dann am Fenster des Anbaus. Er verputz(t) mit einer Kelle den Anbau im Innenbereich der Fenster zum Hof. Wir konnten Fotos von der Zielperson mit der Schubkarre im Hof, und bei seiner Arbeit am Fenster machen …”.

  • 12.07.2003 (Beobachtungen für die Zeit von 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr):

    „… Auf der Baustelle wird gearbeitet. Eine Person, NICHT unsere Zielperson, arbeitet auf der Baustelle …”.

  • 15.07.2003 (Beobachtungen für die Zeit von 10:30 Uhr bis 13:00 Uhr):

    „… Auf der Baustelle wird gearbeitet. Die Zielperson arbeitet alleine auf der Baustelle. Die Zielperson arbeitet auf dem Dach des Neubaus. Die Zielperson vermisst mit einem Zollstock das Dach des Neubaus. Es wurden Fotos von der Zielperson gemacht. …”.

  • 17.07.2003 (Beobachtungen von 10:30 Uhr bis 13:30 Uhr):

    „… Auf der Baustelle wird gearbeitet. Die Zielperson arbeitet auf dem Dach des Neubaus. Die Zielperson mit einem roten Hemd, kurzen Hosen und Sandalen bekleidet. Die Zielperson vermisst das Dach. Die Zielperson trägt große Hohlblocksteine auf dem Dach. Die Zielperson zersägt mit einer schweren, gelben Motorsäge Hohlblocksteine. …

    … Daraufhin kletterte die Zielperson vom Dach und lief in Richtung unseres Standortes. … Die Zielperson verfolgte uns mit schnellem Schritt. … Als wir bei dem zweiten PKW zurück waren und die Detektivin S. gerade einsteigen wollte, kam die Zielperson auf einem Fahrrad angefahren. … Die Zielperson versuchte mit seinem Fahrrad die Detektivin S. an der Wegfahrt zu hindern, indem er mit seinem Vorderrad den PKW der S. blockierte …”.

Am 21.07.2003 führte der Warenhausleiter R. im Beisein der Betriebsrätin Q. ein Gespräch mit dem Beteiligten C. (s. dazu die Gesprächsnotiz vom 21.07.2003, Bl. 41 d. A.). Mit dem Schreiben vom 24.07.2003 nebst der Anlage vom 24.07.2003 (Bl. 14, Bl. 16 ff. d. A.) bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um „Zustimmung zur fristlosen Kündigung gemäß § 103 BetrVG”. In der Rubrik „3. Begründung der beabsichtigten Maßnahme…” heißt es:

„Außerordentliche Verdachtskündigung wegen Erschleichen von Leistungen der Entgeltfortzahlung/Vortäuschen einer Erkrankung (s. Anlage 26 Seiten)”.

Der Betrie...

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