Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung während einer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Unbegründete Klage auf Entgeltfortzahlung bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitnehmers zum krankheitsbedingten Anlass der Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt; der Arbeitgeber ist kündigungsrechtlich jedoch nicht gehindert, während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu kündigen.
2. "Anlass" im Sinn des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist nicht gleichbedeutend mit dem Kündigungsgrund; die Krankheit ist dann Anlass der Kündigung, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst, gerade jetzt den Kündigungsgrund auszunutzen und die Kündigung zu erklären.
3. Eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit scheidet aus, wenn der Arbeitnehmer zwar zur Zeit des Zugangs der Kündigung krank ist, der Arbeitgeber jedoch von der (bevorstehenden) Erkrankung keine Kenntnis hat.
4. Der Arbeitnehmer hat Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitgeber die Kündigung aus Anlass der Erkrankung ausgesprochen hat, mag er auch andere Gründe dafür gehabt haben; regelmäßig genügt insoweit der Hinweis auf die Kenntnis des Arbeitsgebers von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und der zeitliche Zusammenhang zwischen Arbeitsverhinderung und Kündigung.
5. Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber dadurch entkräften, dass er seinerseits Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfall beweist, aus denen sich ergibt, dass andere Gründe seinen Kündigungsentschluss bestimmt haben.
6. Legt der Arbeitgeber Tatsachen zur Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers dar und kann der Arbeitnehmer seinen bestrittenen Sachvortrag einer Erkrankung nicht nachweisen und legt er auch nicht dar, wann er den Arbeitgeber von seiner Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt und wann er an diesen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übersandt hat, ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber durch das Nichtfortsetzen der Arbeit zur Kündigung bestimmt worden und nicht durch das Wissen oder die Befürchtung, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank sein kann.
Normenkette
EFZG §§ 8, 3 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 09.10.2014; Aktenzeichen 1 Ca 684/14) |
Tenor
- Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwighafen am Rhein vom 9. Oktober 2014 - 1 Ca 684/14 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
- Von den Kosten erster Instanz haben der Kläger 19/20 und der Beklagte 1/20 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über Zahlungsansprüche des Klägers.
Der Beklagte betreibt ein Transportunternehmen. Der 1987 geborene, geschiedene und gegenüber zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist der Neffe des Beklagten. Er war bei dem Beklagten seit dem 1. November 2013 als Fahrer beschäftigt.
Am 26. Februar 2014 schrieb der Kläger dem Beklagten SMS mit den Inhalten: "Warum ist de Bus gedrosselt (0: 43) Ich lass den Bus ab sofort dann stehn du weißt genau dass ich tragen muss (0:44)" (Bl. 132 d. A.). Der Kläger stellte den Bus am Auslieferungslager der Rheinpfalz-Zeitung ab und hinterlegte die Papiere sowie die Schlüssel beim Pförtner. Weitere Tätigkeiten für den Beklagten übte der Kläger dann nicht mehr aus.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Schreiben vom 27. Februar 2014, dem Kläger zugegangen am 28. Februar 2014, außerordentlich fristlos zum 26. Februar 2014. Er meldete den Kläger zum 26. Februar 2014 bei der Krankenkasse ab.
Der Kläger war ab dem 26. Februar 2014 durchgehend bis zum 31. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Er übersandte spätestens mit Poststempel vom 10. März 2014 entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an den Beklagten.
Der Kläger begehrte mit am 15. April 2014 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen erhobener Klage die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. März 2014. Darüber hinaus machte er Zahlungsansprüche für März 2014 in Höhe von 1.200,00 € netto und die Herausgabe von Arbeitspapieren (Lohnsteuerbescheinigung für die Jahre 2013 und 2014, Durchschriften der Meldungen an den Träger der Krankenversicherung, Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III, Lohnbescheinigung zur Vorlage bei den Jugendämtern B-Stadt und Z-Stadt) geltend.
Der Kläger hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - vorgetragen, er habe mit dem Beklagten in einem Telefongespräch am 28. Februar 2014 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27. Februar 2014 geendet habe, sondern bis zum 31. März 2014 fortbestehen werde. Sein durchschnittliches Arbeitsentgelt habe bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in Vollzeit mündlich vereinb...