Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung bei Berufsausbildungsverhältnis. Pauschale Behauptung der Wahrscheinlichkeit des Nichtbestehens der Prüfung als Kündigungsgrund. Kündigung durch Rechtsanwalt als Vertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses wegen einer Pflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus.
2. Der Ausbilder kann das Ausbildungsverhältnis nicht mit der pauschalen Behauptung fristlos beenden, der Auszubildende werde wegen seiner schlechten Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Abschlussprüfung versagen.
3. Die Kündigung durch einen Rechtsanwalt ist gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam, wenn er keine Vollmachtsurkunde im Original beifügt.
Normenkette
BBiG § 22 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3; BGB § 174 Sätze 1-2, § 314 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 14.09.2012; Aktenzeichen 3 Ca 888/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14. September 2012, Az.: 3 Ca 888/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei fristlosen Kündigungen des Ausbildungsverhältnisses.
Der 1993 geborene Kläger wird im Baubetrieb des Beklagten seit 01.08.2010 zum Maurer ausgebildet. Das dreijährige Berufsausbildungsverhältnis soll bis zum 31.07.2013 dauern. Die Ausbildungsvergütung betrug im zweiten Jahr € 994,42 brutto.
Der Beklagte forderte den Kläger am Montag, dem 14.05.2012 auf, einen vorformulierten Aufhebungsvertrag zum 14.05.2012 zu unterzeichnen. Der Kläger weigerte sich. Daraufhin erteilte ihm der Beklagte drei Abmahnungen mit Datum vom 14.05.2012. Er warf dem Kläger jeweils vor, dass er am 20.04., am 11.05. und am 14.05.2012 seiner Aufforderung nicht gefolgt sei, ihm das Berichtsheft vorzulegen.
Am 15. und 16.05. besuchte der Kläger die Berufsschule, am 17.05.2012 war ein Feiertag. Am Freitag, dem 18.05.2012 bat der Kläger den Beklagten um die Erlaubnis, seinen Ausbildungsplatz bereits um 15:00 Uhr, eine Stunde vor Feierabend, verlassen zu dürfen. Obwohl der Beklagte ihm die Erlaubnis ausdrücklich verweigert hatte, verließ der Kläger seinen Ausbildungsplatz um 15:20 Uhr. Sein Vater holte ihn ab, weil er mit seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten um 16:00 Uhr einen Besprechungstermin vereinbart hatte.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.05.2012 kündigte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Ausbildungsverhältnis fristlos. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe am 18.05.2012 seinen Ausbildungsplatz vorzeitig verlassen, obwohl ihm der Beklagte die Erlaubnis ausdrücklich verweigert habe. Sein Vater habe ihn abgeholt und mitgenommen. Damit habe er unerlaubt und vorsätzlich die Arbeit verweigert, so dass nunmehr die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses unbedingt erforderlich sei. Dem Kündigungsschreiben legte der Rechtsanwalt des Beklagten lediglich die Kopie einer Vollmachtsurkunde bei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies die Kündigung am 25.05.2012 gemäß § 174 BGB unter Vorlage einer Originalvollmacht zurück. Der Kläger hat am 25.05.2012 Kündigungsschutzklage erhoben. Ein Schlichtungsausschuss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG ist nicht gebildet.
Der Kläger nahm trotz der Kündigung am 15. und 19.06.2012 an der Zwischenprüfung bei der Handwerkskammer teil. Hierfür hat er eine Gebühr in Höhe von € 100,00 gezahlt, die ihm der Beklagte inzwischen erstattet hat. Der Kläger hat die Zwischenprüfung nicht bestanden, weil der praktische Teil mit mangelhaft bewertet wurde.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.07.2012 kündigte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Ausbildungsverhältnis nochmals fristlos. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe versäumt, den Beklagten über seine Teilnahme an der Zwischenprüfung sowie das Prüfungsergebnis zu informieren. Gegen diese fristlose Kündigung wendet sich der Kläger mit Klagerweiterung vom 31.07.2012.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben des Beklagten vom 21.05.2012 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst wurde,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben des Beklagten vom 24.07.2012 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst wurde,
für den Fall, dass das Gericht nach den Anträgen zu 1) und 2) erkennt, den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen des Berufsausbildungsvertrages vom 02.07.2010 als Auszubildenden im Ausbildungsberuf "Maurer" weiter zu beschäftigen,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 100,00 verauslagte Kosten für die Zwischenprüfung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 14.09.2012 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung des Beklagten vom 21.05.2012 sei rechtsunwirksam. Zwar hab...