Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessener Nachtzuschlag für Lkw-Fahrer im Fernverkehr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen; ist das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet, kommt ausschließlich die Zahlung eines Zuschlags in Betracht.

2. In welcher Weise die Ausgleichsleistung Inhalt des Arbeitsvertrags wird, ist dem Arbeitgeber überlassen; von einer pauschalen Abgeltung kann nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitsvertrag hierfür konkrete Anhaltspunkte enthält (indem etwa zwischen der Grundvergütung und dem zusätzlichen Nachtarbeitszuschlag unterschieden wird) oder zumindest ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt wird, da gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG der für geleistete Nachtarbeit geschuldete Zuschlag "auf" das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren ist.

3. Ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % gilt regelmäßig als angemessen; die tarifliche Sonderregelung zur pauschalen Abgeltung der von Kraftfahrern im Güterverkehr geleisteten Nachtarbeit ist als Teil des "Gesamtpakets" der Tarifregelungen für die Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG nur begrenzt aussagekräftig und vermag die Höhe der vom Arbeitgeber geschuldeten Ausgleichsleistung nicht zu determinieren.

4. Die steuerrechtliche Regelung des § 3b Abs. 3 Nr. 1 EStG (erhöhter Zuschlagssatz von 40 % für die Zeit von 00:00 Uhr bis 04:00 Uhr bei Aufnahme der Nachtarbeit vor 00:00 Uhr) ist für die Beurteilung der Angemessenheit des nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu gewährenden Zuschlags unmaßgeblich; für die während der Nachtzeit im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbZG geleisteten Arbeitsstunden ist gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG ein einheitlicher Wert zu bestimmen, der einen angemessenen Ausgleich für die damit verbundenen Belastungen gewährleistet, so dass bei Fehlen weiterer Umstände, die den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % als zu hoch oder zu niedrig erscheinen lassen, zum Ausgleich der mit der Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse für einen LKW-Fahrer im Fernverkehr ein Zuschlag von 25 % als angemessen anzusehen ist.

 

Normenkette

ArbZG § 2 Abs. 3, 5 Nr. 2, § 6 Abs. 5; FPersG § 4 Abs. 3 S. 4; FPersV § 2 Abs. 5 Sätze 2-3; ZPO § 138 Abs. 2; EStG § 3b Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 19.05.2015; Aktenzeichen 4 Ca 3545/14)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. Mai 2015 - 4 Ca 3545/14 - in Ziffer 1 des Urteilstenors wie folgt abgeändert:

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 154,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2014 zu zahlen.

  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

  • III.

    Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2/9 und der Beklagte zu 7/9.

  • V.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Nachtzuschlägen, Vergütung und Spesen sowie auf Erteilung eines einfachen Zeugnisses. Der Beklagte nimmt den Kläger im Wege der Widerklage auf Zurverfügungstellung der Fahrerkarte in Anspruch.

Der Kläger war beim Beklagten als Lkw-Fahrer im Fernverkehr aufgrund des für die Zeit vom 22. April 2014 bis zum 21. April 2015 befristeten Arbeitsvertrags vom 20. April 2014 beschäftigt, der u.a. folgende Regelungen enthält:

"Arbeitsvertrag für Fahrpersonal OT

(...)

5. Arbeitszeit

Für die Arbeitszeit sind die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Transport- und Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz in seiner jeweils gültigen Fassung maßgebend.

(...)

7. Arbeitsentgelt

Der pauschale Stundenlohn beträgt 1.800,00 € Brutto. (Nichtzutreffendes streichen). Die Berechnung des Bruttoentgeltes wird auf Grundlage der im laufenden Monat gearbeiteten Tage erfolgen.

Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer für im Nahverkehr geleisteten Nachtarbeitsstunden folgende Zuschläge:

20:00 Uhr bis 24:00 Uhr : 25 %

0:00 Uhr bis 04:00 Uhr: 40 % (wenn die Arbeit vor 0:00 Uhr begonnen wurde)

0:00 Uhr bis 04:00 Uhr: 25 % (wenn die Arbeit nach 0:00 Uhr begonnen wurde)

0:00 Uhr bis 06:00 Uhr: 25 %

Durch Zahlung des vereinbarten pauschalen Monatslohnes ist die geleistete Arbeitszeit bis zu 208 Arbeitsstunden monatlich im Durchschnitt abgegolten.

Als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Stundendurchschnitts im Sinne obiger Bestimmung gelten der laufende Abrechnungsmonat sowie die drei vorangegangenen und die folgenden acht Kalendermonate.

Spesen im Fernverkehr werden folgender Maßen gezahlt:

Abwesenheit von mindestens 8 Stunden bis...

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