Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert, Beschlussverfahren, Rechtsanwalt, Betriebsratswahl, Wahlanfechtungsverfahren, typisierende Grundsätze

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Wertfestsetzung eines Wahlanfechtungsverfahrens nach § 19 BetrVG ist auch die Betriebsgröße und die sich daraus ergebende Betriebsratsgröße von Bedeutung.

Der Wert des Streitgegenstandes für die anwaltliche Gebührenberechnung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bestimmt sich bei einem durchschnittlich gelagerten. Betriebsratswahlanfechtungsverfahren auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 BRAGO nach dem Hilfswert von 4000,00 Euro für die Bewertung der Frage der Existenz des Gremiums an sich, beginnend gem. § 9 BetrVG mit dem ersten Betriebsratsmitglied. Für jedes weitere Betriebsratsmitglied ist dieser Betrag um ¼ des Wertes nach § 8 Abs. 2 BRAGO, also um 1000,00 Euro zu erhöhen

 

Normenkette

BRAGO § 8 Abs. 2; BetrVG §§ 9, 19

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 22.10.2002; Aktenzeichen 6 BV 37/02)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin (Bet. zu 5.) vom 06.11.2002 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 22.10.2002 – 6 BV 37/02 – in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.12.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich hier gegen die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht. Gegenstand des Beschlussverfahrens war die Wirksamkeit einer am 13.05.2002 durchgeführten Betriebsratswahl. Zu wählen war ein 9-köpfiger Betriebsrat. Durch Beschluss des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 03.09.2002 ist die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 17.04.2003 zurückgewiesen worden.

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit hier mit Beschluss vom 22.10.2002 auf 12.000,00 Euro festgesetzt. Dabei ist das Arbeitsgericht als Regelwert von 4.000,00 Euro ausgegangen und hat diesen Wert um 1.000,00 Euro für jedes weitere Betriebsratsmitglied erhöht. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 25.10.2002 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 06.11.2002 per Fax und am 07.11.2002 im Original eingegangene Beschwerde. Ihr hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 06.12.2002 nicht abgeholfen.

Die Beschwerdeführerin hält den Streitwertbeschluss unter Hinweis auf eine Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 05.09.2002 – 2 Ta 93/02 – für rechtsfehlerhaft. Danach schließe das Verbot, bei der Streitwertbemessung Folgewirkungen der erstrebten gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, es aus, bei einer Wahlanfechtung etwa auf die Zahl der zu wählenden Betriebratsmitglieder abzustellen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden; die zwei – Wochen – Frist ist gewahrt.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert zutreffend festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat in seinem Beschluss den Gegenstandswert der Betriebsratswahlanfechtung zutreffend auf den Auffangwert von 4.000,00 Euro gem. § 8 Abs. 2 BRAGO für das Bestehen des Betriebsratsgremiums an sich mit mindestens einem Betriebsratsmitglied gestützt und diesen Betrag sodann zu Recht für jedes weitere Betriebsratsmitglied um ¼ des Wertes nach § 8 Abs. 2 BRAGO, also um 1.000,00 Euro erhöht.

a) Die Festsetzung des Gegenstandswertes bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl richtet sich nach § 8 Abs. 2 BRAGO. Dabei sind für die Bewertung anwaltlicher Tätigkeit in derartigen Auseinandersetzungen die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere Umfang, Schwierigkeit und Dauer des Verfahrens, die objektiv – nicht subjektiv aus der Sicht eines der Beteiligten – zu beurteilende Bedeutung der Angelegenheit, der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts und die Leistungsfähigkeit des Auftraggebers (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 26.06.2000 – 3 Ta 68/00 –; Beschluss v. 04.02.1999 – 6 Ta 117/98 –).

b) Bei der Wertfestsetzung für betriebverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren ist mit LAG Berlin v. 17.12.1991 – 1 Ta 50/91; LAG Reinland-Pfalz v. 30.03.1992 – 9 Ta 40/92; LAG Schleswig-Holstein v. 29.07.1992 – 6 Ta 62/92) aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des § 8 Abs. 2 BRAGO von typisierenden Grundsätzen auszugehen(vgl. auch Meier Streitwerte im Arbeitsrecht, Lexikon Rz. 356 ff.). Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist zu berücksichtigen, dass im Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG die Legitimation des ganzen Betriebsrates in Frage steht und bei erfolgreicher Anfechtung eine Wahlwiederholung notwendig ist (vgl. LAG Berlin v. 17.12.1991 – 1 Ta 50/91). Insoweit ist bei der Wertfestsetzung eines Wahlanfechtungsverfahrens auch die Betriebsgröße und die sich hieraus ergebende Betriebsratsgröße von Bedeutung. Anders ist es bei Ausschlus...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge