Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständiger. Tarifvertrag. Abrechnung. Urlaubsentgelt. Entgeltfortzahlung. Verstoß gegen BUrlG. Hinzuziehung eines Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Es zählt nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, ob die durch den Arbeitgeber nach § 16 MTV des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein unstreitig tarifgerecht erfolgte Abrechnung des Urlaubsentgelts mit den gesetzlichen Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes in Einklang steht.
2. Das Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bezieht sich auf die Durchführung der Rechtsnorm (hier: § 16 MTV n.F.), nicht aber darauf, ob die Rechtsnorm ihrerseits gegen höherrangiges Recht (hier: § 12 BurlG) verstößt. Das Überwachungsrecht besteht gegenüber dem Arbeitgeber, der die Rechtsnorm (hier: § 16 MTV n.F.) zu beachten hat, nicht jedoch gegenüber dem Normgeber (hier: den Tarifvertragsparteien), der die Rechtsnorm erlassen hat.
Normenkette
BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; MTV des privaten Omnibusgewerbe in Schleswig-Holstein (a.v.) § 16 n.F; BUrlG §§ 11, 13; EFZG § 4 Abs. 4, § 12
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Beschluss vom 03.04.2008; Aktenzeichen 3 BV 86 d/07) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 03.04.2008, Az. 3 BV 86 d/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat auf Kosten der antragstellenden Arbeitgeberin einen Rechtsanwalt als Sachverständigen hinzuziehen darf.
Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden und wendet den allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das private Omnibusgewerbe in Schleswig-Holstein vom 16.07.1996 (im Folgenden: MTV) an. § 16 MTV hatte u.a. folgende Regelung:
„§ 16 Urlaub
…
(6) Während der Dauer des Urlaubs wird der Lohn nach dem Durchschnittsverdienst des letzten Kalenderjahres weitergezahlt. Sind nach Ablauf des Berechnungszeitraumes Lohnerhöhungen eingetreten, so erhöht sich der Urlaubslohn um den Vom-Hundert-Satz der Lohnerhöhung.
…”
Mit der 1. Protokollnotiz vom 01.09.2006 vereinbarten die Tarifvertragsparteien mit Wirkung ab dem 01.01.2007 u. a. folgende neue Fassung des § 16 Abs. 6 MTV:
„§ 16 Abs. (6)
Während der Dauer des Urlaubs wird der Lohn nach folgender Maßgabe fortgezahlt: Die Lohnfortzahlung erfolgt auf der Basis von 8 Std. pro Tag bei einer 5-Tage-Woche bzw. 7 Std. pro Tag bei einer 6-Tage-Woche unter Zugrundelegung des Tabellenlohnes.”
Die Arbeitgeberin rechnet die Urlaubs- und Krankheitsfehlzeiten seit dem 01.01.2007 entsprechend den Vorgaben des § 16 Abs. 6 MTV i. d. F. der 1. Protokollnotiz vom 01.09.2006 ab. Mit Schreiben vom 23.03.2007 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass er in seiner Sitzung vom 22.03.2007 beschlossen habe, Rechtsanwalt Dr. W. mit der Prüfung zu beauftragen, ob die Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall auf der Basis der Grundstundenzahl und des reinen Stundenlohnes im Einklang mit dem Bundesurlaubsgesetz und dem Entgeltfortzahlungsgesetz steht. Zur Erläuterung wies der Betriebsrat auf Folgendes hin (Bl. 5 f. d. A.):
- „Die derzeitige zwischen dem Arbeitgeberverband OVN (Ex-SHO) und ver.di für die Beschäftigten des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein abgeschlossene Änderung des Manteltarifvertrages sieht für die Arbeitnehmer der P./G. folgende Regelung vor.
- Für einen Tag Urlaub/Krankheit erhalten Arbeitnehmer im Fahrdienst im Jahr 2007 9,25 Stunden multipliziert mit dem Faktor Euro/Stunde gemäß Lohntabelle. Im Jahr 2008 8,75 × Tabellenlohn und im Jahr 2009 8,00 × Tabellenlohn.
- Dadurch wurde von der bisherigen Regelung durchschnittliche individuelle Stundenzahl pro Tag multipliziert mit dem Faktor des durchschnittlichen individuellen Stundenlohnes abgelöst.
- Es gibt Anhaltspunkte, dass diese Tarifvereinbarung gegen geltendes Recht verstößt und deshalb nichtig ist.
- Diese Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Gesetzestext, genauer gesagt aus den §§ 11 und 13 des Bundesurlaubsgesetzes und aus den §§ 4 (insbesondere Abs. 1, 1a) und 12 sowie aus Gerichtsurteilen des LAG Rheinland-Pfalz (Az.: 6 Sa 215/00, BAG (Az.: 5 AZR 457/00), BAG (Az.: 5 AZR 68/04).
- Eventuell könnte die Änderung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle durch den § 4 Abs. 4 i. V. m. § 12 konform gehen mit dem LFZG. Dieses müsste aber in einer Überprüfung eindeutig geklärt werden. Die Änderung der Bemessungsgrundlage für den Urlaubslohn aber scheint eindeutiger nicht mit dem BurlG überein zu stimmen. Auch dieses bedarf einer Überprüfung.
- Die oben genannten Paragraphen und Urteile müssen in Zusammenhang mit einer dauerhaft, für Arbeitnehmer der P. und G. typischen, hohen Stundenzahl pro Monat und einem höheren individuellen Stundenlohn betrachtet werden.
- Es soll nun also überprüft werden, ob und inwieweit die unter 2. genannten Regelungen mit den unter 5. erwähnten Gesetzestexten und Urteilen kompatibel sind oder nicht.”
Nachdem die Arbeitgeberin die Hinzuziehung eines Sachv...