Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtzusage. Zustandekommen. Verzicht. Zulagenanrechnung. Tariflohnerhöhung. Schriftformerfordernis. Anrechnung. Zulage. zweistufig. Schriftform. Gestaltungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Bei dem betrieblichen Aushang des Arbeitgebers, in dem er unter Bezugnahme auf eine zweistufige tarifliche Lohnerhöhung u. a. erklärt, die diesjährige Tariflohnerhöhung an die Mitarbeiter voll weiterzugeben, handelt es sich um eine Gesamtzusage. Die Zusage beinhaltet einen Verzicht auf die Anrechnungsmöglichkeit, über die der Arbeitgeber ansonsten bei Tariflohnerhöhungen in Bezug auf freiwillige übertarifliche Zulagen verfügt.
Normenkette
BGB §§ 133, 151, 157
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 05.12.1996; Aktenzeichen 6 (2) Ca 1301/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 5. Dezember 1996 – 6 (2) Ca 1301/96 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung
Gegen das Urteil wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte eine tarifliche Vergütungserhöhung an die Kläger weitergeben mußte oder ob deren übertarifliche Vergütungsbestandteile auf die tarifliche Vergütungserhöhung angerechnet werden durften.
Die Beklagte hat mit den Klägern, die bei ihr als Arbeitnehmer beschäftigt sind, die Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein einzelvertraglich vereinbart. Nach einem im Frühjahr 1995 durchgeführten Arbeitskampf in Bayern wurden die in der Metallindustrie üblichen jährlichen Tarifrunden von der Regel abweichend für die Jahre 1995 und 1996 in einem Verhandlungsergebnis vom 14.03.1995 zusammengefaßt und in zwei Stufen für den Zeitraum 01.01.1995 bis 31.12.1996 geregelt, wobei die in Bayern gefundene Lösung in der Metallindustrie des gesamten Bundesgebietes übernommen wurde, nämlich, die Entgelte ab dem 01.01.1995 um 3,4 % (erste Stufe für 1995) und ab dem 01.11.1995 um 3,6 % (zweite Stufe für 1996) zu erhöhen. Für Januar bis April 1995 sah der Tarifvertrag dabei die Zahlung von Pauschalbeträgen vor.
Die Beklagte wandte sich mit Aushang vom 14.03.1995 „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”. Der Aushang hatte folgenden Inhalt:
Tariferhöhung 1995
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Ihnen bekannt ist, wurde auch für das Tarifgebiet Hamburg und Schleswig-Holstein der Tarifabschluß aus Bayern übernommen.
Durch die zweistufige Lohnerhöhung sowie die Einführung der 3 5-Stunden-Woche bedeutet der Tarifabschluß in der vorliegenden Form für die betroffenen Unternehmen eine Steigerung der Lohnsumme innerhalb eines Jahres um ca. 10 %, für Z… NORD gleichbedeutend mit einer absoluten Summe von ca. 1,02 Millionen zusätzlich an Löhnen und Gehältern im Jahr. Diese Summe muß durch eine entsprechende Steigerung der Produktivität kompensiert werden.
Erschwerend kommt hinzu, daß wir derzeit infolge der ungünstigen Wechselkurse und des verstärkten Preisdrucks, insbesondere am Weltmarkt, die Konkurrenzfähigkeit unserer Produkte nur dadurch behalten können, daß wir die Preise senken. Voraussetzung dafür ist die Reduzierung der Herstellkosten.
Wesentliche Möglichkeiten, die Stückkosten zu senken, verbleiben für Z… NORD nur die Ausweitung der Maschinenlaufzeiten sowie die rasche Einführung der Prämienentlohnung für das gesamte Unternehmen.
Trotz aller bisherigen Schwierigkeiten, diese beiden Projekte zügig zu realisieren, haben wir uns entschlossen, die diesjährige Tariferhöhung an Sie voll weiterzugeben. Wir sehen dieses als Vorausleistung im Vertrauen auf den Willen der Mitarbeiter, uns bei den anstehenden Problemen voll zu unterstützen, auch wenn uns bewußt ist, daß dieses für Sie z. T. einschneidende Veränderungen bedeutet.
Mit freundlichem Gruß
Z… NORD
Die zum 01.11.1995 wirksam werdende Tariflohnerhöhung von 3,6 % rechnete die Beklagte vollständig auf die den Klägern gewährte übertarifliche Zulage an. Für den Kläger zu 1. ergab sich daraus für den Zeitraum bis einschließlich März 1996 eine Differenz von 595,– DM, für den Kläger zu 2. eine solche in Höhe von 690,– DM.
Die Kläger waren der Ansicht, daß die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14.03.1995 im Wege einer Gesamtzusage auch die Tariferhöhung zum 01.11.1995 an sie weiterzugeben habe. Das Schreiben beziehe sich auf die 1995 vereinbarte und im Verlaufe des Jahres 1995 in zwei Stufen wirksam werdende Tariferhöhung.
Die Kläger haben beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1. DM 595,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15.02.1996 zu zahlen und
- die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger zu 2. DM 690, brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15.02.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, mit dem Schreiben vom 14.03.1995 sich nicht zu der erst zum 01.11.1995 wirksam werdenden Tariferhöhung geäußert zu haben. Weil die Tarifverhandlungen 1995 atypisch verlaufen seien und der Tarifvertrag zwei Tariferhöhungen enthalte, ...