2.1.1 Sozialversicherungsrecht innerhalb der Europäischen Union bzw. des EWR und der Schweiz
Für innerhalb der Europäischen Union erbrachte Tätigkeiten ist zum Sozialversicherungsrecht die VO (EG) 883/2004 maßgeblich. Durch entsprechende Abkommen ist diese Verordnung auch auf den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz ausgeweitet.
Ausgangspunkt ist die Regelung, dass nur die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates anwendbar sind. Auf dieser Grundlage soll der Sozialversicherungsschutz möglichst lückenlos gewährleistet sein. Ein weiterer Zweck ist zudem, Mehrfachversicherungen und daraus resultierende Mehrfachbelastungen zu vermeiden, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer nachteilhaft wären. Ein Staat, dessen sozialversicherungsrechtliche Regelungen hiernach nicht anwendbar sind, darf nicht verlangen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsentgelt Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung entrichten. Die weiteren Regelungen sehen als sog. Kollisionsnormen die Anwendbarkeit einer bestimmten einzelstaatlichen Rechtsordnung bzw. Teilen dieser Rechtsordnung vor. Das hiernach für anwendbar erklärte nationale Recht nennt man Sozialrechtsstatut.
Beschäftigungslandprinzip
Zunächst ist das sog. Beschäftigungslandprinzip vorgesehen. Auf dieser Grundlage ist grundsätzlich das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaates anwendbar, in dem der Arbeitnehmer die Beschäftigung tatsächlich (physisch) verrichtet, sofern nichts anderes bestimmt ist. Dieses Prinzip ist unabhängig von dem Umfang der verrichteten Tätigkeit und dem Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers anwendbar.
Ausnahmen von dem Beschäftigungslandprinzip
Von dem Beschäftigungslandprinzip gibt es indes relevante Ausnahmen, die im Ergebnis dazu führen können, dass der Arbeitnehmer auch während der Auslandstätigkeit unverändert ausschließlich dem bis dahin anwendbaren Sozialversicherungsrecht unterliegt. Die Ausnahmen gelten insbesondere für die Entsendung sowie für bestimmte Personengruppen.
Für die Auslandstätigkeit innerhalb der EU bzw. des EWR und der Schweiz ist hiernach insbesondere die Entsendung relevant. Danach bleibt ein Arbeitnehmer in Deutschland in allen Zweigen der Sozialversicherung versichert, wenn er vorübergehend außerhalb Deutschlands entsandt wird. Die Entsendung darf zudem die voraussichtliche Dauer von 24 Monaten nicht überschreiten und der Arbeitnehmer darf nicht eine andere entsandte Person ablösen. Sofern bereits vor Beginn der Entsendung absehbar bzw. geplant ist, dass die Entsendung länger als 24 Monate andauert, ist vor der Entsendung eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.
Eine Entsendung setzt in diesem Sinne voraus, dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort eine Beschäftigung für den Arbeitgeber auszuüben; die Auslandstätigkeit muss mithin der Arbeitgeber veranlassen.
Eine erteilte A1-Bescheinigung ist sowohl für die Träger der sozialen Sicherheit als auch für die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, grundsätzlich bindend, solange sie der Herkunftsmitgliedstaat nicht widerrufen oder für ungültig erklärt hat.
A1-Bescheinigung
Arbeitgeber sollten für jeden Fall der Auslandstätigkeit innerhalb der EU bzw. des EWR und der Schweiz eine sog. A1-Bescheinigung rechtzeitig und vorab beantragen. Sie dient dazu, den Nachweis zur Sozialversicherung im Heimatstaat zu führen und entsprechend dazu, eine mehrfache Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden. Arbeitgeber können die A1-Bescheinigung elektronisch bei dem (gesetzlichen) Krankenversicherer des Arbeitnehmers bzw. für privat krankenversicherte Arbeitnehmer bei der DRV Bund beantragen.
Für eine regelmäßige Tätigkeit im Ausland sieht die Verordnung zudem noch weitere Ausnahmen vor, die dazu führen, dass Arbeitnehmer in dem deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben. Übt ein Arbeitnehmer die Beschäftigung gewöhnlich für einen Arbeitgeber in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig aus, ist
- das Recht des Wohnmitgliedstaates des Arbeitnehmers anwendbar, wenn er dort einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit verrichtet.
- das Recht des Sitzstaates des Arbeitgebers anwendbar, wenn er einen wesentlichen Teil der Tätigkeit in einem anderen Staat als dem Wohnmitgliedstaat ausübt.
"Wesentlich" bezieht sich insofern auf den quantitativ erheblichen Teil der Tätigkeit. Dazu sind Arbeitszeit und Arbeitsentgelt als Orientierungskriterien heranzuziehen. Diese müssen mindestens eine Grenze von 25 % erreichen, um "wesentlich" zu sein. Eine "gewöhnliche" Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten setzt voraus, dass der Mitarbeiter vorhersehbar und regelmäßig in mehreren Mitgliedstaaten tätig wird. Der Begriff "Wohnmitgliedstaat" meint den Staat, in dem der Mitarbeiter gewöhnlich wohnt und in dem der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen liegt. Dazu ist insbesondere auf die familiäre Situation des Mitarbeiters, die Gründe für die regelmäßige Tätigkeit in mehreren Staaten und die Dauer des Wohnens im Rahmen einer G...