3.1.1 Begriff

Unternehmen, die Personal dauerhaft im Ausland beschäftigen möchten, stehen häufig vor vielschichtigen Herausforderungen. Insofern kommt es für sie – alternativ zur Beschäftigung von eigenem Personal – in Betracht, Fremdpersonal für sich tätig werden zu lassen. Hierzu kooperieren sie zunehmend häufig mit einem sog. Employer of Record (EoR). Ein EoR stellt den Arbeitnehmer in dem jeweiligen Tätigkeitsstaat nach Maßgabe der lokalen Regelungen ein und wickelt das Arbeitsverhältnis (insbesondere die Lohnbuchhaltung) administrativ ab; tätig wird der Arbeitnehmer auf Weisung des (deutschen) Unternehmens remote aus dem Ausland.

Seit wenigen Jahren interessieren sich zunehmend auch deutsche Unternehmen für das Modell des EoR. Die verhältnismäßig junge Beschäftigungsform ist originär angloamerikanisch geprägt; der EoR wird auch als "legal employer" verstanden.[1]

Inländische Auftraggeber sehen in der Zusammenarbeit mit einem EoR eine Möglichkeit, den komplexen rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen Herr zu werden, die aus der dauerhaften (regelmäßigen) Beschäftigung von Mitarbeitern im Ausland resultieren. Reizvoll ist für sie außerdem die Aussicht, in dem ausländischen Staat wirtschaftlich aktiv zu werden, ohne dort eine Gesellschaft oder Niederlassung errichten zu müssen.

[1] Bissels/Prokop, DB 2022, S. 1513.

3.1.2 EoR-Konstellation

In der Praxis ist häufig die folgende Konstellation anzutreffen:

Der EoR verpflichtet sich gegenüber dem inländischen Auftraggeber vertraglich dazu, ihm Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, die im Ausland tätig sind. Der EoR schließt mit dem Arbeitnehmer nach Maßgabe des lokalen Rechts einen Arbeitsvertrag ab und ist als dessen Vertragsarbeitgeber dafür verantwortlich, das Arbeitsverhältnis administrativ abzuwickeln. Entsprechend übernimmt der EoR die Lohnabrechnung und führt dazu die jeweils anfallenden Sozialversicherungsbeiträge sowie die Lohnsteuer ab. Ferner meldet der EoR den Arbeitnehmer bei lokalen Behörden an und ist dafür verantwortlich, lokale Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten. Alle im Zusammenhang mit der Beschäftigung entstehenden Kosten trägt wirtschaftlich der inländische Auftraggeber. Er entrichtet auf Basis eines Dienstleistungsvertrags ein Honorar an den EoR. Das Honorar steht häufig in Relation zu der Bruttovergütung des Arbeitnehmers. Das fachliche arbeitgeberseitige Weisungsrecht überträgt der EoR auf den (inländischen) Auftraggeber. Hingegen verbleibt das disziplinarische Weisungsrecht bei dem EoR, das er gleichwohl in der Praxis regelmäßig nur in enger Abstimmung mit dem (inländischen) Auftraggeber ausübt. Praktisch setzt der inländische Auftraggeber den Arbeitnehmer wie einen eigenen Arbeitnehmer ein und gestaltet das Arbeitsverhältnis auf Basis der fachlichen Weisungen inhaltlich näher aus. Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistungen vollständig remote aus dem Ausland; dies ist jedenfalls theoretisch vorgesehen.

Infografik: Employer of Record

3.1.3 EoR als Arbeitnehmerüberlassung?

Die hiernach aufgespaltene Arbeitgeberstellung führt dazu, dass dieses 3-Personen-Verhältnis wesensmäßig eine Arbeitnehmerüberlassung ist.[1] Eine Arbeitnehmerüberlassung ist nach deutschem Recht streng reguliert; sie ist grundsätzlich erlaubnispflichtig.[2] Arbeitnehmerüberlassung zeichnet sich dadurch aus, dass ein Verleiher einem Dritten (Entleiher), im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung überlässt und dem Entleiher dazu das fachliche Weisungsrecht überträgt. Zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher bestehen keine arbeitsvertraglichen Beziehungen.[3] Da diese Voraussetzungen auch in der Grundkonstellation des EoR erfüllt sind, liegt regelmäßig Arbeitnehmerüberlassung vor.

Aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters ist indes fraglich, ob das deutsche AÜG – als öffentliche-rechtliche Norm des Gewerberechts – in dieser Konstellation anwendbar ist. Denn während der EoR seinen Sitz regelmäßig in dem Staat hat, in dem der Arbeitnehmer remote tätig ist, hat der Auftraggeber seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Wäre das deutsche AÜG anwendbar, bedürfte der EoR grundsätzlich einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, die er regelmäßig nicht hat. Diese Frage ist wiederum für den inländischen Auftraggeber aufgrund der nach §§ 9, 10,[4] 15 und 16 AÜG vorgesehenen (scharfen) Rechtsfolgen einer verdeckten (illegalen) Arbeitnehmerüberlassung äußerst relevant.

Im Ausgangspunkt ist diese Frage aufgrund der Auslandsberührung nach dem sog. Territorialitätsprinzip zu beantworten.[5] Hiernach ist das Recht eines Staates im Wesentlichen dann anwendbar, wenn der Sachverhalt einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Sofern eine entsprechende Verbindung zum Staatsgebiet eines Staates fehlt, sind dessen öffentlich-rechtliche Regelungen nicht anwendbar. Der Inlandsbezug ist ausgehend von Sinn und Zweck der Erlaubnispflicht zu bestimmen. Die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG vorgesehene Erlaubnispflicht soll gewährleisten, dass der Verleiher zuverlässig ist. Er soll insbesondere den sozialen ...

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