BMF, Schreiben v. 14.2.2006, IV A 5 - S 7100 - 2/06, BStBl I 2006, 240
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Zahlungen im Zusammenhang mit der Abgabe von Saatgut Folgendes:
1. Bei der Abgabe von Vorstufen- oder Basissaatgut (sog. technisches Saatgut) im Rahmen von sog. Vermehrerverträgen erfolgt die Verschaffung der Verfügungsmacht mit schuldrechtlichen Einschränkungen. Das Saatgut wird dabei zum Zweck der Vermehrung durch Anbau sowie ggf. vorherige Aufbereitung übergeben, eine Weitergabe oder Vermarktung ist hingegen untersagt. Die Verfügungsmacht an dem durch Vermehrung neu gewonnenen Saatgut wird vielmehr nach Anerkennung als sog. zertifiziertes Saatgut (sog. Z-Saatgut) wiederum dem Züchter oder einem sog. Vertriebsorganisationsunternehmen (sog. VO-Unternehmen) verschafft, welche die anschließende Vermarktung selbst übernehmen. Sowohl die Abgabe des Basissaatguts zur Vermehrung als auch die Abgabe des sog. zertifizierten Saatguts stellen sich in diesem Fall als Lieferungen dar, die – vorbehaltlich der Regelung in Tz. 6 – dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 19 der Anlage 2 des Gesetzes unterliegen.
2. Die Abgabe von sog. zertifiziertem Saatgut durch Züchter oder Vertriebsorganisationsunternehmen z.B. an Landwirte zur Produktion von Konsumgetreide oder an Handelsunternehmen ist eine Lieferung, die – vorbehaltlich der Regelung in Tz. 6 – dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 19 der Anlage 2 des Gesetzes unterliegt. Eine spätere Verwendung des daraus gewonnenen Ernteguts zum Nachbau in Ausübung des sog. Landwirteprivilegs (s. Tz. 5) ist für diese Beurteilung unbeachtlich.
3. Erfolgt die Aufbereitung von sog. technischem Saatgut zum Zwecke der anschließenden Vermehrung durch Reinigen, Beizen, Sortieren und dgl. weder im Rahmen eines sog. Vertriebsorganisationsvertrags (sog. VO-Vertrag) noch im Rahmen eines sog. Vermehrervertrags durch die damit beauftragten Unternehmer selbst, sondern durch einen dritten Unternehmer, erbringt dieser mit der Aufbereitung eine sonstige Leistung. Der Ort dieser sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG. Die sonstige Leistung unterliegt – vorbehaltlich der Regelung in Tz. 6 – dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG.
4. Zahlungen, die z.B. von sog. Vertriebsorganisationsunternehmen für die Überlassung von Vorstufen- oder Basissaatgut im Rahmen von sog. VO-Verträgen, d.h. zum Zweck der Produktion und des Vertriebs des daraus herzustellenden sog. Zertifizierten Saatguts, an den Inhaber des Sortenschutzes gezahlt werden (sog. Züchteranteile, Z-Lizenzen), sind insgesamt Entgelt („Lizenzgebühren”) für eine sonstige Leistung des Sortenschutzinhabers, welche in der Überlassung des Rechts, eine Saatgutsorte zu produzieren und zu vermarkten, und der Überlassung des hierzu erforderlichen Saatguts besteht. Der Ort dieser nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung insgesamt als Dienstleistung zu beurteilenden sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 UStG. Die sonstige Leistung unterliegt – vorbehaltlich der Regelung in Tz. 6 – dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG.
5. Nachbaugebühren i.S.d. § 10a Abs. 2 ff. SortSchG, die ein Landwirt dem Inhaber des Sortenschutzes zu erstatten hat, werden als Entgelt für eine sonstige Leistung des Sortenschutzinhabers gezahlt, welche in der Duldung des Nachbaus durch den Landwirt besteht. Durch die gesetzliche Anordnung der Duldungsleistung (sog. Landwirteprivileg) wird deren Steuerbarkeit nicht berührt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Der Ort dieser Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 8 UStG. Die Duldungsleistung unterliegt – vorbehaltlich der Regelung in Tz. 6 – dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG.
6. Die in Tz. 1 bis 5 bezeichneten Leistungen werden regelmäßig im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) erbracht und unterliegen vorbehaltlich der Anwendung von § 24 Abs. 4 UStG der Durchschnittssatzbesteuerung.
7. Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Besprechung zu dieser Verwaltungsanweisung
Normenkette
UStG § 12 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage 2 Nr. 19
Fundstellen
BStBl I, 2006, 240